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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Niallis Verschwinden sind zwei Tage vergangen. Taniane ist überzeugt, daß sie sich irgendwo in der Nähe aufhält, daß sie sich nur verkrochen hat, bis ihr Schmerz sich leergebrannt hat. Ganze Schwadronen der Wachen durchkämmen die Stadt und die Außenbezirke nach ihr.
    Doch niemand hat sie gesehen. Und Hresh ist auch überzeugt, daß man sie nicht finden wird.
    Sie ist zur Königin geflohen; dessen ist er sich sicher. Wenn sie dort unbeschadet ankommt, denkt er, wird sie ihr künftiges Leben bei den Hjjks verbringen. Sie wird Bürgerin des Nest-der-Nester werden. Und wenn sie an ihre Heimatstadt überhaupt jemals denkt, dann nur, um sie zu verfluchen, weil hier der Mann, den sie liebte, ermordet wurde. Nun liebt sie nur noch die Hjjks. Und zu den Hjjks gehört sie jetzt, sagt er sich. Aber warum? Warum?
    Welche Macht üben diese Hjjks über Nialli aus? Welchen Zauber haben sie benutzt, um sie zu sich zu ziehen?
    Er fühlt sich verwirrt und schwach. Die Ereignisse haben ihn beinahe gelähmt. Denken strengt ihn unendlich an. Seine Seele liegt wie in einem Sarg aus Eis. Diese Morde – wann hat es in Dawinno zuletzt einen gewaltsamen Tod gegeben? Und Niallis Verschwinden… Er muß zu denken versuchen – zu denken…
    Gestern hatte jemand gesagt, jemand habe an dem verregneten Nachmittag weit draußen vor der Stadt ein Mädchen auf einem Xlendi reiten sehen. Aber nur aus der Ferne, ziemlich weit aus der Ferne. Es gab unzählige Mädchen in der Stadt und sehr viele Xlendis. Aber angenommen, es war Nialli. Wie weit konnte sie kommen, allein, unbewaffnet, ohne den Weg zu kennen? Hatte sie sich da draußen auf den leeren Ebenen verirrt und war dem Tode nahe? Oder hatten Hjjk-Banden sie erwartet und führten sie nun zum Nest-der-Nester?
    Du kannst einfach nicht wissen, wie das dort ist, Vater… Sie leben in einer Luft voller Träume und Magie und Wunder…
    Sie hatte versprochen, ihm das alles zu erklären, ehe sie ihn verlassen würde. Aber es war ihnen keine Zeit geblieben. Und nun war sie fort. Und er begreift noch immer nichts, gar nichts. Nest-Bindung? Nest-Liebe? Träume? Magie? Wunder?
    Er blickt zu dem wuchtigen schweren Kasten mit den Chroniken hinüber: Sein Leben lang durchstöbert er den Wirrwarr der uralten, zum Teil kryptischen Dokumente da drin. Seine Vorgänger haben die zerfallenden Bücher während der Hunderttausende von Jahren im Kokon immer wieder und wieder kopiert. Und seit Hresh ein Kind war, das dem alten Thaggoran über die Schulter lugte, sieht er in diesen Chroniken einen unerschöpflichen Born der Weisheit.
    Er öffnet die Siegel und Verschlüsse und hebt die Bände heraus und legt sie nebeneinander auf die glattpolierten weißen steinernen Arbeitstische an den Wänden.
    Hier ist das ‚Buch des Langen Winters’ mit seinen Erzählungen über die Herabkunft der Todessterne. Und hier das ‚Buch Kokon’, das berichtet, wie der Lord Fanigole und Balilirion und die Lady Theel das VOLK in den Zeiten der Kälte und Finsternis in Sicherheit brachten. Und da, das ist das ‚Buch des Pfades’ mit den Weissagungen über den Neuen Frühling und die glorreiche Rolle, die dem VOLK bestimmt war, sobald es sich erneut in die Welt begab. Und da war auch das ‚Buch des Auszugs’, das Hresh persönlich geschrieben hatte – mit Ausnahme der ersten paar Blätter, die noch sein Vorgänger, Thaggoran, als Chronist verfaßte. Darin wird vom Ende des Winters berichtet, von der Wiederkunft der Wärme und vom schließlichen Vorstoß des Stammes ins freie Land.
    Und da ist das ‚Bestiarium’, das alle Tiere aufführt, die es jemals gab. Das ‚Buch der Stunden und Tage’ über die Mechanik der Welt und des weiteren Kosmos. Und dies hier – der Einband besteht fast nur noch aus verblichenen Fetzen – ist das ‚Buch der Städte’, und es stehen die Namen aller Hauptstädte der Großen Welt darin.
    Und die drei da: Ach, wie traurig! Das ‚Buch Unheils-Dämmerung’, das ‚Buch Trügerische Morgenröte’ und das ‚Buch Eisiges Erwachen’; drei klägliche Berichte über die Zeiten, da Häuptlinge fälschlich glaubten, daß der Lange Winter zu Ende sei, und das VOLK aus dem Kokon führten, nur um von den erbarmungslosen Eisstürmen rasch wieder zurückgetrieben zu werden.
    Bezüglich der Hjjks findet Hresh nur die altvertraute Phraseologie. In den dürren Nordlanden, wo die HJJKs in ihrem großen NEST hausen… oder: Und in selbigem Jahr zogen die HJJKs in sehr großer Zahl über das Land und

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