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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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strudelnden Bach kaum genug Platz hatte. Der Boden begann sich leicht zu heben, was den Schluß zuließ, daß das Strombett zunehmend tiefer geschnitten sein würde, je näher man an die Öffnung der Schlucht herankam.
    »Da ist er ja endlich«, kam eine trockene Stimme, spröde wie ein ausgebleichter Knochen, eine stumme Stimme, eine Gedankenstimme. »Der Wißbegierige. Der Frage-Knabe.«
    Hresh blickte auf. Vor dem sich tiefer verdunkelnden Himmel zeichnete sich die kantige Gestalt eines Hjjk ab. Hoch aufgerichtet und reglos. In einer seiner zahlreichen Hände hielt er einen Speer, der noch länger war als er selbst.
    »Das Kind?« Hresh lachte. »Ein Kind soll ich sein? Ach, guter Freund, nein, ich bin ein alter Mann. Ein ziemlich müder alter Mann. Wenn du zweifelst, dann sondiere mein Gedanken etwas sorgfältiger, dann wirst du es schon merken.«
    »Das Kind bestreitet, daß es ein Kind ist«, sagte ein zweiter Hjjk, der auf der gegenüberliegenden Seite des hochragenden Kliffs erschienen war. »Aber das Kind ist dennoch ein Kind. Was immer es sich einbilden mag.«
    »Schön, wenn ihr so wollt, dann bin ich eben ein Kind.«
    Und das war er auf einmal wirklich: Denn plötzlich fiel die Zeit einwärts in sich zusammen, und er war wieder der kleine drahtige zappelige Hresh-voller-Fragen, der im ganzen Kokon überall herumstöberte, allen mit seiner Wißbegier auf die Nerven ging, der Koshmar und Torlyri zur Verzweiflung trieb, seine Mutter Minbain plagte, seine Spielkameraden reizte und ärgerte. Die ganze Lebensmüdigkeit seiner späten Jahre fiel von ihm. Er platzte wieder vor wilder Energie und Unbekümmertheit, war erneut Hresh-die-Quasselstrippe, Hresh-der-Sucher, Hresh, im ganzen Stamm der kleinste Junge, aber voll unersättlichem Wissensdrang, der immer wieder am Lukenloch des Kokons hockte und davon träumte, da eines Tages hinauszuschnellen in die unbekannte von Wundern volle Welt, die dort lag.
    Die Hjjks machten sich an den Abstieg vom Kliff und kletterten durch das Bruchgestein auf ihn zu. Er wartete mit Gelassenheit auf sie; er bewunderte ihre Geschicklichkeit, und ihm gefiel, wie das Licht des großen blauen Sterns, der – wie er nun erkannte – nur der Mond war, auf ihren starren gelb-schwarzen Panzern schimmerte. Fünf, sechs, sieben Hjjks kamen herabgeklettert. Seit seiner Kindheit hatte er keinen Hjjk mehr gesehen. Damals hatte er sie für erschreckend und häßlich gehalten; jetzt erkannte er die eigenartige Schönheit ihrer schlanken konischen Gestalten.
    Sein Xlendi stand völlig reglos, als hätte es sich in einem Xlendi-Traum verlaufen. Ein Hjjk fuhr ihm sacht mit dem borstigen Unterarm den langen Kiefer hinauf, und das Xlendi folgte sogleich und begann vorwärts zu trotten. Und dort war eine dunkle Höhlenöffnung, eigentlich nur ein Spalt, den Hresh bisher nicht bemerkt hatte, der genau mitten durch die Felswand führte. Vor ihm schimmerte Sternenlicht. Hresh konnte das ferne Brüllen des Katarakts hören. Das Xlendi trottete weiter.
    Nach einer Weile langten sie auf einem Sims am Außenhang des Kliffs an. Rechts von Hresh brach das nun milchig tosende Wildwasser durch den Felsspalt, schoß in einem Bogen nach außen und stürzte tief unten in ein gischtendes Becken. Links zog sich ein gewundener Pfad den Hang hinab bis zu einem weiten offenen Grasland, auf dem in der Dunkelheit nichts von Bedeutung zu sehen war.
    »Die Königin erwartet dich schon lange«, sagte eine tonlose trockene Hjjk-Stimme, als der Wagen den Abstieg in das Dunkelreich drüben begann.

9. Kapitel
Auf zum Nest der Nester!
    Die ganze Woche hindurch waren mit wachsender Dringlichkeit und immer größerer Hast die Nachrichten über die Relaisstationen in Nord und Süd zu Salaman gelangt.
    Thu-Kimnibol rückte von Dawinno aus an der Spitze eines gewaltigen Heeres heran. Schon war er Yissou nahe, vielleicht nicht einmal mehr ein paar Tagesmärsche entfernt. Jeder einzelne in Salamans Agentenkette hatte sich tief beeindruckt geäußert über die Größe der heranziehenden Streitmacht. Hatte Thu-Kimnibol etwa sämtliche Dawinnoaner im kampffähigen Alter rekrutiert und brachte sie jetzt her? Fast schien es so.
    An der Front im Norden war das vierhundert Mann starke Heer des Königs Tag für Tag weiter in Hjjk-Gebiet vorgestoßen, genau auf der Route, welche die kleine Siedlergruppe von Akzeptänzlern eingeschlagen hatte.
    Wir haben sie entdeckt, kam schließlich der Bericht. Sie sind alle tot.
    Und dann: Wurden selbst von

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