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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hatte – auf der Reise aus dem Kokon nach Vengiboneeza. Damals hätten sie ihn fast selbst an sich gelockt. Aber inzwischen war er jedoch immun gegen ihre unheilbringenden Melodien geworden.
    Er hatte niemandem gesagt, daß er aus Dawinno fortgehen werde. Er hatte die Runde gemacht und mit den Menschen – ein letztesmal – gesprochen, an denen ihm besonders lag: Thu-Kimnibol, Boldirinthe, Staip, Chupitain Stuld – natürlich auch mit Nialli und Taniane. Aber er hatte noch nicht einmal Taniane gesagt, daß er für immer Abschied nahm.
    Es war ihm nicht leichtgefallen, so mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten. Besonders Taniane gegenüber. Er hatte es schmerzlich ertragen. Aber er wußte auch, daß sie ihn zurückzuhalten versuchen würden, wenn sie erführen, was er plante. Also hatte er sich einfach im Frühdunst aus der Stadt gestohlen. Und nun, wo Dawinno weit hinter ihm lag, verspürte er nicht das geringste Bedauern. Ein langer Phasenabschnitt seines Lebens war zu Ende. Eine neue Phase begann.
    Wenn er etwas bedauerte, dann, daß er die Stadt so vortrefflich konstruiert hatte. Jetzt kam es ihm so vor, als hätte er das VOLK den falschen Pfad entlanggeführt, als wäre es ein Fehler gewesen, die Stadt Dawinnos nach dem Vorbild Vengiboneezas zu erbauen, ja überhaupt den Versuch zu wagen, die Große Welt in diesem Neuen Frühling wiederholen zu wollen. Die Götter hatten die Große Welt von der Erde weggefegt, weil sie ihren Zeitablauf ausgelebt hatte. Die Große Welt war bis an die Grenzen ihrer Entfaltungsmöglichkeiten vorgestoßen und hatte dann einen toten Punkt erreicht, den totalen Stillstand. Wären nicht die Todessterne erschienen, um sie zu vernichten, die eigene Vollkommenheit dieser Welt wäre unmerklich in Fäulnis und Verfall übergegangen. Denn eine Kultur, eine Zivilisation ist eben keine Maschine, sondern lebendiges Gesamtwesen und muß entweder wachsen und gedeihen oder verfallen und zugrundegehen. Und eine andere Alternative gibt es dabei nicht.
    Hresh hatte sich so sehr gewünscht, daß das VOLK zum Hochniveau der Großwelt, die Hunderte von tausend Jahren dazu gebraucht hatte, sich mit einem einzigen gewaltigen Evolutionssprung hinaufentwickeln werde. Aber das VOLK war dazu nicht fähig und nicht reif gewesen. Schließlich war ja nur eine einzige Generation vergangen, seit sie aus dem Kokon hervorgekrochen waren. Und unter dem Druck dieses evolutionären erzwungenen Sprunges waren sie aus dieser urtümlichen schlichten Einfachheit und Einfältigkeit direkt in ihre spezifische Fäulnis und Verrottung gestoßen worden und hatten nicht einmal eine Atempause und Schonzeit gehabt, um zu wirklicher Menschhaftigkeit zu reifen.
    Dieser böse, dieser üble Krieg, zum Beispiel…
    Er war eine verbrecherische Verhöhnung der Götter, ein Verbrechen auch nach den Gesetzen der Stadt, ja ein Verbrechen gegen die Zivilisation selbst. Und Hresh wußte, es lag ganz und gar nicht in seiner Macht, irgend etwas zu tun, ihn zu verhindern.
    Und so mußte er sich eingestehen, daß er versagt hatte. In der Zeit, die ihm noch gegeben war, wollte er alles in seiner Macht Liegende tun, dafür Sühne zu leisten. Eines jedoch weigerte er sich zu tun: Er würde nicht in trübselige Zerknirschung verfallen über Fehler, die er begangen hatte – oder über jene, die andere gerade im Begriff waren zu begehen. Denn er hatte sein BESTES getan. Das war wirklich der einzige Trost: Er hatte sich wirklich niemals geschont.
    »Ich erinnere mich an den Tag deiner Geburt«, sagte Thu-Kimnibol mit Erstaunen in der Stimme. »Hresh und ich blieben zusammen die ganze Nacht auf, die Nacht davor, und…«
    »Nicht!« sagte sie.
    »Nicht was?«
    »Sprich mir nicht von dem, woran du dich erinnerst, daß ich klein war.«
    Er lachte. »Soll ich einfach so tun, Nialli, als wäre ich nicht so viel…«
    »Ja. Tu einfach so, wenn du mußt. Nur erinnere mich nicht daran, daß du bereits erwachsen warst, als ich zur Welt kam, einverstanden? Einverstanden, Thu-Kimnibol?«
    »Aber – Nialli…« Dann lachte er.
    »Komm her!« befahl sie. Sie zog ihn eng an sich. Er umschloß sie mit den Armen. Und dann war er über ihr, mit den Händen, den Lippen, dem Sensor-Organ, berührte, streichelte, knabberte, murmelte unablässig ihren Namen. Er war wie ein gewaltiger Fluß, der sich über sie ergoß und sie mit sich fortriß. Und sie ließ sich davontragen. So etwas hätte sie nie erwartet. Und er wohl auch nicht, vermutete sie.
    Ob sie sich je an

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