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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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riesigen scheußlichen Greifschnabel.
    »Würdest du einen Vertrag mit ihnen machen?« fragte sie. »Überhaupt mit denen verhandeln?«
    Diese Hjjks! Wie sehr sie dieses Volk verabscheute - und fürchtete! Von Kindesbeinen an wurde einem beigebracht, sie zu verachten. Sie waren häßlich, sie waren riesige, gräßliche Wanzengeziefer, wie aus einem Alptraum, erbarmungslos böse und eiskalt, fähig jede nur denkbare Greueltat zu begehen.
    Ständig gab es Gerüchte über sie, über umher streifende Hjjk-Banden, die im freien Land überall im Osten und Norden lauerten. In Wahrheit steckte hinter fast all diesen Horrorgeschichten keinerlei Realität. Trotzdem – die Hjjks hatten ihr einziges Kind entführt, direkt vor den Mauern der Stadt hatten sie sie geraubt; und daß Nialli nach ein paar Monaten zurückgekehrt war, hatte Tanianes Abscheu vor ihnen nicht mildern können, denn das Mädchen war nachher auf geheimnisvolle Weise anders geworden. Nein, die Hjjks blieben die große Bedrohung. Sie waren der Feind, gegen den das VOLK eines Tages zum Kampf um die Vorherrschaft in der Welt würde antreten müssen.
    Und dieses Vertragsangebot – diese angebliche Botschaft von ihrer gräßlichen Königin…
    Taniane stieß Hreshs Bericht beiseite.
    Ich bin jetzt schon so lange Häuptling, dachte sie. Schon seit meinen Mädchentagen. Mein ganzes Leben lang, wie es aussieht… fast vierzig Jahre lang…
    Sie war zum Häuptling gewählt worden, als der Stamm noch winzigklein und sie selbst gerade erst Frau geworden war. Koshmar lag im Sterben, und Taniane war unter den jungen Frauen die stärkste und mit dem größten Weitblick begabte. Alle hatten ihr per Akklamation das Vertrauen ausgesprochen. Und sie hatte nicht gezögert. Sie wußte, sie war für das Häuptlingsgeschäft geschaffen, ebenso wie das Amt für sie. Allerdings hatte ihre Weitsicht nicht genügt, diese Entwicklung vorherzusehen: derartige Berichte und Untersuchungen und Importgenehmigungen. Und Gesandte von den Hjjks. Niemand hätte so etwas vorhersehen können. Wahrscheinlich nicht einmal Hresh.
    Sie nahm einen weiteren Vorgang – die Sache mit den Rissen im Trassengrund der Thaggoran-Brücke. Dies schien ihr im Augenblick von vorrangiger Dringlichkeit zu sein. Du willst dich damit bloß vor dem wirklichen Problem drücken, schalt sie sich selbst. Und dann tauchten wieder diese anderen Wortgebilde vor ihren Augen auf…
    DU HOCKST SCHON VIEL ZU LANG DA
    HÖCHSTE ZEIT, DASS DU PLATZ MACHST
    UND DIE RECHTMÄSSIGEN LEUTE
    HERRSCHEN LÄSST
    (»Abdanken, Edle? Du sollst abdanken?« - »Ach, das ist doch bedeutungslos…«)
    HÖCHSTE ZEIT…
    (Bericht… Vertragsangebot… Hjjks
    »… abdanken, Edle?«
    »Würdest du mit denen einen Vertrag unterzeichnen?«
    »Mutter? Mutter, geht es dir nicht gut?«
    »Abdanken?«
    » Mutter, hörst du mich denn nicht?«)
    HÖCHSTE ZEIT… DASS DU PLATZ MACHST…
    »Mutter? Mutter!« – Taniane hob den Blick. In der Tür zu ihrer Suite stand eine Gestalt. Und diese Tür stand jedem Bürger in Dawinno immer offen (allerdings wagten sich nur sehr wenige zu solcher Kühnheit vor). Mühsam konzentrierte Taniane den Blick. Sie begriff, daß sie sich in einer Art Dämmerzustand befunden hatte. War das Minguil Komeilt, die Sekretärin? Nein, bestimmt nicht. Minguil Komeilt war ein weiches, mollig rundes, verhuschtes Weibchen, und die Gestalt da war hochgewachsen, kräftig, athletisch und vibrierte von Ungeduld.
    »Nialli?« sagte Taniane nach einer Weile.
    »Du hast mich rufen lassen.«
    »Ja. Ja, natürlich. Ja. Dann komm doch herein. Kind!«
    Aber das Kind hing unschlüssig in der Tür herum. Nialli hatte eine grüne Mantilla beiläufig über die eine Schulter geworfen und trug um die Taille die orangerote Schärpe der Edelgeborenen. »Du siehst heut so merkwürdig aus«, sagte sie mit einem unverschämt festen Blick. »Ich hab dich noch nie so gesehen, Mutter. Was ist denn mit dir? Du bist doch nicht etwa krank?«
    »Nein. Es ist gar nichts. Überhaupt nichts.«
    »Ich hab gehört, sie haben dich heut früh mit Steinen beworfen…«
    »Ach, du weißt es schon?«
    »Alle wissen es. Hunderte von Leuten haben es selbst gesehen, und alle reden jetzt davon. Es macht mich so zornig, Mutter! Daß jemand es wagen darf… es wagt…«
    »In einer derart großen Stadt muß es zwangsläufig auch eine beträchtliche Menge Narren geben«, sagte Taniane.
    »Aber mit Steinen zu werfen, Mutter… dich gar verletzen zu wollen…«
    »Da bist du falsch

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