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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wüßte, was ich dann mit mir anfangen soll?«
    Aber die Masken Koshmars gaben ihr keine Antwort.
    In Koshmars Tagen war das ‚Volk’ nur eine kleine Horde gewesen; ein bloßer kleiner Stamm. Jetzt hingegen war das VOLK zivilisiert und lebte urban; jetzt zählte man es nach Tausenden, statt nach Manipeln, und es hatte sich als zwangsläufig und Not abwendend erwiesen, immer neue Konzepte zu erfinden, eine sinnenverwirrende Flut von Dingen zu produzieren, damit diese neue expandierte Ordnung überhaupt funktionierte. Man hatte sich an den Gebrauch dieser neuen Sache namens ‚Tausch-Einheiten’ gewöhnt, anstatt der einfach gleichmäßigen Verteilung an jeden; man zankte giftig über Profit, Besitztümer, die Größe der Wohnungen, die Zahl der beschäftigten Arbeiter, über Wettbewerbstaktiken auf dem Marktplatz und ähnliches derart absurdes Zeug. Sie hatten sich in ‚Klassen’ zu spalten begonnen: in herrschende, besitzende, arbeitende und arme Klassen. Aber auch die alten Stammeszugehörigkeiten waren nicht völlig verschwunden. Gewiß, sie verwischten sich mehr und mehr. Doch hatten weder die Koshmaris noch die Beng ganz vergessen, daß sie eben koshmarisch und bengisch waren; und hinzu kamen noch alle die übrigen: die Hornbelions und Debethins und Stadrains und Mortirils und der Rest all der stolzen kleinen Stämme, die nach und nach in den größeren Stämmen aufgingen, die sich jedoch verzweifelt abmühten, noch Fetzchen ihrer alten Identität zu bewahren.
    All dies brachte immer neue Probleme mit sich und wurde dem Häuptling als Höchster Instanz zur Entscheidung vorgelegt. Und alles war dermaßen schnell gegangen. In einer einzigen Generation war die Stadt – dank Hreshs unermüdlicher Erfindungskraft und seiner Forscherbeute aus den Archiven der Vorzeit – hochgeschossen und gewachsen wie ein Pilz und versuchte keck und hoffnungsschwanger, die großen Städte der vergangenen Großwelt zu imitieren.
    Taniane betrachtete die Masken.
    »Du mußtest dich nie mit Bevölkerungsstatistik und Steuerlisten herumplagen, nicht wahr? Oder mit den Protokollen der Präsidialsitzungen. Mit der Zahl der gerade in Umlauf befindlichen Tausch-Einheiten.« Taniane fuhr mit den Fingern durch den Berg von Papieren auf ihrem Tisch: Gesuche von Kaufleuten für eine Importlizenz für Waren aus Yissou; Expertengutachten über Stadtsanierungsprobleme in suburbanen Vierteln; ein Bericht über den schlechten Zustand der Thaggoran-Brücke im Südende der Stadt. Und so weiter und weiter und weiter. Und ganz obenauf lag Hreshs kurzes Memorandum: Bericht zu dem Vertragsangebot der Hjjks.
    »Ach, wärt ihr doch bloß an meinem Platz«, sagte Taniane heftig zu den Masken an der Wand, »und ich hinge statt dessen da droben!«
    Sie hatte noch nie eine eigene Maske gehabt. Anfangs genügte es ihr völlig, bei den Anlässen, die Masken erforderten, die von Koshmar zu tragen. Später, nachdem die Beng nach Dawinno gekommen waren und sich mit dem VOLK vermischt hatten, als man den Unionsvertrag schloß, erlaubte der politische Kompromiß zwar einen Häuptling aus Koshmari-Blut, verlangte jedoch eine Beng-Majorität im Präsidium, und als die Stadt in ihre höchst sensationelle Wachstumsphase geriet, war Taniane der Maskenzauber als leidlich überholt erschienen, als ein ziemlich törichtes Relikt aus alter Zeit. Seit Jahren hatte sie keine Maske mehr aufgesetzt.
    Dessen ungeachtet behielt sie die Masken aber dennoch um sich, in der Nähe, in ihrem Arbeitszimmer. Teils, weil sie ja recht dekorativ waren, teils aber zur mahnenden Erinnerung an jene dunklere, primitivere Zeit, in der Eis das Land bedeckte und ihr VOLK nichts weiter war als ein kleiner Haufen unbedarfter nackter oder pelziger Kreaturen, die sich angstvoll in einer versiegelten Erdkammer in der Flanke eines Berges aneinandergepreßt hatten. Die grobschlächtige Form und die leuchtendgrellen Farben dieser Masken stellten jetzt für sie das einzige Verbindungsglied zur anderen Epoche dar.
    Taniane setzte sich hinter den geschwungenen Onyxblock, der auf einem Fuß aus rosa Granit ruhte und an dem sie arbeitete, und griff sich eine Handvoll der Papiere, die Minguil Komeilt dort für sie deponiert hatte. Trübsinnig blätterte sie den Aktenstoß wieder und wieder durch. Vor ihrem Blicke schwammen Wörter vorbei: Volkszählung… Steuern… Thaggoran-Brücke… Hjjk-Vertrag… Hjjk… Hjjk… Hjjk… Vertrag…
    Sie schaute zu der Lirridon-Maske hinauf, zu dem Hjjk-Gesicht mit dem

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