Der neue Frühling
Krieger, das war er gewiß gewesen, aber ein Staatsmann? Eine Führerfigur? Weise? Also da hatte Salaman denn doch seine Zweifel. Allerdings war ja auch kaum noch jemand am Leben, der sich an den wahren Harruel noch erinnern konnten, diesen griesgrämigen Brüter und Trunkenbold, dieser brutale Schläger und Frauenschänder, der sich unablässig auf dem Folterbett seiner selbstproduzierten Seelenängste wohlig quälte.
Und da kam nun jetzt Harruels Sohn in Harruels Stadt und trat vor Harruels Thron als Gesandter der Stadt Dawinno zu Harruels Nachfolger. Das Große Rad rollte, und in seinem Rollen fügte es alles zu allem. Warum war der Mann gekommen? Bisher hatte er sich nicht den kleinsten Hinweis entschlüpfen lassen. Bislang war alles glatt und gut verlaufen, immerhin. Anfangs hatte er, Salaman, ja dieses unangemeldete Eintreffen Thu-Kimnibols als einen Unstern und eine Last empfunden, als rätselhaft, ja gar bedrohlich. Zugleich aber war es eine nicht uninteressante Herausforderung: Kannst du, Salaman, ihn noch immer manipulieren? Ihn auf deinem Brettspiel in Schach halten?
Der König sprach voll Liebenswürdigkeit: »So setz dich doch, Thu-Kimnibol, ja?«
»Wenn es deiner Majestät genehm wäre, ich befinde mich recht wohl, so wie ich jetzt bin.«
»Wie immer es dir beliebt. Etwas Wein?«
»Etwas später vielleicht, nachdem wir geredet haben. Für mich ist es etwas früh am Tag, um schon zu trinken.«
Nicht zum erstenmal überlegte Salaman, ob Thu-Kimnibol besonders raffiniert sei – oder bloß ein schlichter argloser Naivling. Es war unmöglich, diesen Mann zu durchschauen. Indem er es vorgezogen hatte, im Stehen zu sprechen, hatte er sozusagen sich die Option zugeschanzt, allein durch seine Körpergröße und seine Stärke den Raum zu beherrschen. Aber – war dies eine gezielte Planung oder (wie er vorgab) wirklich weiter nichts als eine reine Bequemlichkeitsentscheidung? Und durch die Zurückweisung des Weines hatte er der Begegnung einen steif-formalen Charakter aufgezwungen, der sich bei eventuellen späteren scharfen Verhandlungen zu seinen Gunsten auswirken könnte. Oder war es einfach so, daß er bei der Arbeit nicht gern trank? Die Söhne von Säufern neigen schließlich oft dazu, einen gegenteiligen, trockeneren Pfad zu gehen.
Der König fühlte sich dringlich veranlaßt, den Vorteil, den Thu-Kimnibol (unabsichtlich oder gezielt) über ihn gewonnen hatte (und dermaßen blitzschnell und im Handumdrehen) wieder wettzumachen. Es war ja schon schlimm genug, daß der Kerl dermaßen riesenhaft war! In der Nähe großer Männer fühlte Salaman sich stets ziemlich unwohl; nicht etwa weil er unter einem deutlicheren Minderwertigkeitskomplex gelitten hätte, weil er selbst stummelbeinig war, sondern weil körpermassige träge Mannsbrocken (wie dieser Thu-Kimnibol) ihm das Gefühl gaben, er selbst sei vielleicht in seinen Bewegungen überhastig und fieberisch wie ein kleines wieselndes huschendes Tier. Doch davon ganz abgesehen, er durfte einfach nicht zulassen, daß Thu-Kimnibol bestimmte, in welchem Rahmen das Gespräch stattfand.
»Du kennst meine Söhne?« fragte Salaman, als die Prinzen in den Saal kamen und ihre Sitze einnahmen.
»Ich kenne Chham und Athimin, gewiß. Und bei meinem Eintreffen begegente ich Ganthiav.«
»Nun, dies ist Poukor. Hier Biterulve. Und diese sind Bruikkos und Char Mateh. Mein Sohn Praheurt ist noch zu jung, an dieser Versammlung teilhaben zu können.« Der König breitete die Arme weit, als wolle er sie alle an seine Brust ziehen. Ja, und sollten sie doch sich um Thu-Kimnibol scharen. Ihn in ihrer Mitte erdrücken. Groß mag er ja sein, aber gemeinsam sind wir ihm allemal überlegen.
Sie bauten sich im Raum auf, die sieben Prinzen, die sämtlich ein getreuliches Abbild ihres Vaters waren – bis hin zu den kalten grauen Augen, dem vierschrötigen Leib… alle, bis auf den einen, der Biterulve hieß und weit weniger klobig-klein aussah als der Rest, aber eher bläßlich, auch wenn er immerhin wenigstens den Königsblick besaß. Salaman genoß es, als er einen Hauch von Unbehagen über Thu-Kimnibols Gesicht huschen sah, während sich die Salamanischen Doppelgänger einfanden. Eine beachtliche Phalanx, fürwahr. Sie legten Zeugnis ab für die Stärke seiner Lebenslendenkraft.
Wenn er ein Weib bestieg, dann bestimmte sein Samen die Erbmerkmale, seine Gestalt, seine Gesichtszüge waren da wiedergeboren. Ein jeglicher konnte es an seinen, versammelten Söhnen sehen. Er war
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