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Der Neue Frühling

Der Neue Frühling

Titel: Der Neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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gekommen war, an dem die Dienerinnen in den Speisesälen damit beschäftigt waren, die Böden zu wischen, und sie zog sich aus und wusch sich. Nachdem sie das Wasser mit etwas Feuer erhitzt hatte. Kaltes Wasser wäre eine weitere Buße gewesen, aber es gab Grenzen.
    Sie löschte die Lampen, webte ein Schutzgewebe, damit ihre Träume keinen anderen behelligten – das konnte Frauen passieren, die die Macht lenkten; andere in der Nähe konnten die Träume teilen –, und kroch unter die Decken. Sie war wirklich müde, und der Schlaf kam schnell.
    Unglücklicherweise kamen auch die Albträume. Nicht über ihre Onkel oder gar über Jac Wynn, sondern über einen Säugling, der im Schnee des Drachenbergs lag. Blitze zuckten über den pechschwarzen Himmel, und seine Schreie waren wie Donner. Träume von einem gesichtslosen jungen Mann. In diesen Träumen gab es ebenfalls Blitze, aber er rief diese Blitze vom Himmel und Städte brannten. Nationen brannten. Der Drache war wiedergeboren. Sie erwachte weinend.
    Das Feuer war auf ein paar letzte Kohlen niedergebrannt. Statt Holz nachzulegen, bedeckte sie die Kohlen mit Hilfe der Kaminschaufel mit Asche, und statt ins Bett zurückzugehen, wickelte sie sich in eine Decke und ging in die Nacht hinaus. Sie wusste nicht, ob sie wieder würde einschlafen können, aber einer Sache war sie sich sicher. Sie wollte nicht allein schlafen.
    Sie war fest davon überzeugt, dass Siuan schlief, aber als sie in das Zimmer der Freundin schlüpfte und schnell die Tür hinter sich schloss, sagte Siuan leise: »Moiraine?« In Siuans kleinem Kamin flackerten noch immer ein paar Flammen und verbreiteten genug Licht, um zu sehen, wie sie auf einer Seite die Decke zurückschlug.
    Moiraine verschwendete keine Zeit und schlüpfte darunter. »Hast du auch Albträume?«
    »Ja«, hauchte Siuan. »Was können sie tun, Moiraine? Selbst wenn sie ihn finden, was können sie tun?«
    »Sie können ihn in die Burg bringen«, erwiderte Moiraine und legte mehr Zuversicht in ihre Stimme, als sie empfand. »Er kann hier beschützt werden.« Sie hoffte es. Ganz egal, was die Prophezeiungen besagten, nicht nur die Roten würden ihn tot oder gedämpft sehen wollen. »Und er kann unterrichtet werden.« Der Wiedergeborene Drache würde unterrichtet werden müssen. Er würde so viel über Politik wissen müssen wie eine Königin, so viel über den Krieg wie jeder General. So viel über Geschichte wie jeder Gelehrte. Verin Sedai sagte, dass die meisten Fehler der Herrscher dadurch verursacht wurden, dass sie sich nicht in der Geschichte auskannten; sie handelten so, weil sie die Fehler derjenigen nicht kannten, die andere vor ihnen gemacht hatten. »Er kann geführt werden.« Das würde von allem das Wichtigste sein, um sicherzugehen, dass er die richtigen Entscheidungen traf.
    »Die Burg kann ihn nicht lehren, wie man die Macht lenken muss.«
    Das stimmte. Was Männer taten, war ... anders. So anders, wie Männer und Frauen verschieden waren, hatte Verin gesagt. Ein Vogel konnte einem Fisch nicht beibringen, wie man fliegen musste. Er würde es selbst lernen müssen – und es überleben müssen. Die Prophezeiungen gaben keine Auskunft darüber, dass ihm das gelang, oder dass er es schaffen würde, vor der Letzten Schlacht dem drohenden Wahnsinn zu entgehen, sondern nur, dass er bei Tarmon Gai'don dabei sein musste, wenn sie auch nur die geringste Hoffnung auf einen Sieg haben wollten, aber sie musste es glauben. Sie musste es!
    »Siuan, glaubst du, dass Tamra heute Nacht schlechte Träume hat?«
    Siuan schnaubte. »Aes Sedai haben keine schlechten Träume.«
    Aber sie waren noch keine Aes Sedai. Keine von ihnen machte in dieser Nacht noch ein Auge zu. Moiraine hatte keine Ahnung, was Siuan sah, als sie dort lag und an die Decke starrte – sie konnte sich nicht überwinden, sie zu fragen –, aber sie sah ein Baby, das im Schnee des Drachenbergs lag und weinte, und einen gesichtslosen Mann, der Blitze vom Himmel befahl. Wach zu sein bot keinen Schutz gegen diese Albträume.

KAPITEL 6
 
Überraschungen
    Das Klopfen an Siuans Tür gegen Morgen kam von einer schüchternen Novizin namens Setsuko, einem stämmigen Mädchen, das noch kleiner als Moiraine war. Sie teilte ihnen den Befehl der Amyrlin mit, dass alle Aufgenommenen vor dem Dritten Wecken am Weststall sein sollten, um mit ihrer Arbeit weiterzumachen. Im Licht der von ihr gehaltenen Lampe war deutlich zu sehen, dass Setsuko der Neid ins Gesicht geschrieben stand. Die

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