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Der Neue Frühling

Der Neue Frühling

Titel: Der Neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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es immer nur die betreffende Person ab und niemand anderes. »Die Mutter hat eingewilligt, dass Ihr die Listen ins Reine schreibt, die fast unleserlich sind. Ihr habt eine saubere Handschrift. Etwas geblümt, aber lesbar.«
    Moiraine versuchte verzweifelt, sich etwas einfallen zu lassen, das die Schwester nicht als Widerspruch betrachten würde, aber da kam nichts. Wie sollte sie nur entkommen?
    »Das ist eine sehr gute Idee, Moiraine«, sagte Siuan, und Moiraine starrte ihre Freundin erstaunt an. Ihre Freundin! Aber Siuan fuhr fröhlich mit ihrem Verrat fort. »Sie hat letzte Nacht nicht ein Auge zugetan, Merean. Jedenfalls nicht mehr als höchstens eine Stunde. Ich glaube nicht, dass sie heute sicher im Sattel sitzen kann. Sie würde innerhalb einer Meile herunterfallen.« Und das musste ausgerechnet Siuan sagen!
    »Es freut mich, dass Ihr meiner Entscheidung zustimmt, Siuan«, sagte Merean trocken. Moiraine wäre errötet, hätte jemand mit ihr in diesem Tonfall gesprochen, aber Siuan war da aus härterem Holz geschnitzt und erwiderte den Blick der Schwester mit einem unschuldigen Lächeln. »Sie sollte aber auch nicht allein sein, also könnt Ihr Moiraine helfen. Ihr habt auch eine gute Handschrift.« Das Lächeln auf Siuans Gesicht gefror, aber die Schwester schien das nicht zu bemerken. »Kommt mit. Kommt schon. Ich habe heute noch mehr zu tun, als Euch beide herumzuführen.«
    Sie rauschte voraus wie ein dicker Schwan auf einem Fluss, ein schnell schwimmender Schwan, und führte sie in einen kleinen, fensterlosen Raum, der nicht weit von den Gemächern der Amyrlin entfernt war. Auf dem mit Schnitzereien überladenen Schreibtisch, hinter dem zwei hochlehnige Stühle warteten, standen eine Schale mit Federn, große Glastintenfässchen, Sandfässchen zum Trocknen der Tinte, Stapel mit gutem weißen Papier und ein riesiger, unordentlicher Stapel aus beschriebenen Blättern. Moiraine hängte ihren Umhang an einen Haken und stellte ihre Ledertasche neben dem Tisch auf dem Boden ab, dann starrte sie den Papierstapel genauso düster wie Siuan an. Wenigstens gab es hier einen Kamin, in dem ein Feuer brannte. Verglichen mit den Korridoren war es warm im Zimmer. Viel wärmer, als ein Ritt im Schnee sein würde. Immerhin.
    »Sobald Ihr mit dem Frühstück fertig seid«, sagte Merean, »kommt Ihr her und macht Euch an die Arbeit. Die Kopien hinterlasst Ihr im Vorraum des Arbeitszimmers der Amyrlin.«
    »Beim Licht, Siuan«, sagte Moiraine aus ganzem Herzen, sobald die Schwester gegangen war, »wieso hast du das bloß für eine gute Idee gehalten?«
    »Du ...« – Siuan verzog bedauernd das Gesicht – »... wir werden uns auf diese Weise mehr Namen ansehen können. Vielleicht sogar alle Namen, wenn uns Tamra weiterhin mit dieser Aufgabe beschäftigt. Wir könnten die Ersten sein, die erfahren, wer er ist. Ich bezweifle, dass zwei Jungen am Drachenberg zur Welt kommen. Ich dachte bloß, dass nur du es machen müsstest und nicht wir.« Sie seufzte düster, dann sah sie Moiraine plötzlich stirnrunzelnd an. »Warum soll es dir nicht gut gehen?«
    Vergangene Nacht hatte sie es angesichts dessen, was der Welt bevorstand, für wenig angemessen gehalten, von ihrem Verlust zu erzählen, aber jetzt zögerte Moiraine nicht länger. Bevor sie geendet hatte, zog Siuan sie in eine starke, tröstende Umarmung. Sie hatten sich öfters an der Schulter der anderen ausgeweint als etwa bei Merean. Moiraine hatte niemandem jemals so nahe gestanden wie Siuan. Oder jemanden so geliebt.
    »Du weißt, dass ich sechs Onkel habe, die gute Männer sind«, sagte Siuan leise, »und einer von ihnen ist gestorben, weil er beweisen musste, was für ein feiner Mann er ist. Aber du weißt nicht, dass ich noch zwei andere habe, die mein Vater nicht über seine Schwelle treten ließ, und einer davon ist sein Bruder. Mein Vater würde nicht einmal ihre Namen erwähnen. Sie sind Straßenräuber, Raufbolde und Säufer, und wenn sie genug Ale getrunken haben oder Brandwein, wenn sie genug zusammengestohlen haben, um ihn sich leisten zu können, fangen sie Streit mit jedem an, der sie schief ansieht. Für gewöhnlich gehen sie zusammen mit Fäusten und Füßen und allem, was gerade zur Hand ist, auf den armen Burschen los. Eines Tages wird man sie aufhängen, weil sie jemanden töten werden, wenn sie das nicht schon bereits getan haben. Wenn es so weit ist, werde ich keine Träne vergießen. Manche Leute sind einfach keine Tränen wert.«
    Moiraine erwiderte die

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