Der Neue im Sportinternat
Beckenrand. Er hat keine Lust, seine Zeit mit jemandem wie Sascha zu verschwenden.
»Warte mal!«, ruft Sascha und schwimmt Leon hinterher.
»Sorry! Hab keine Zeit, um dich armes Hascherl zu bemitleiden«, zischt Leon böse.
»Jetzt warte doch mal!«, bittet Sascha erneut.
Leon lässt sich nicht umstimmen und schwimmt ohne jede Hast zum Beckenrand. Sascha holt ihn ein. Er packt Leons Arm und hält ihn fest.
»Hey!«, knurrt Leon und schlägt Saschas Hand weg.
»Hör zu! Ich will mich bei dir entschuldigen«, sagt Sascha. »Den Arschtritt hab ich gebraucht. Danke! Bin schon nicht mehr daran gewöhnt, dass mir jemand sagt, was er wirklich über mich denkt. In der Regel bin ich von Schleimscheißern und geldgeilen Säcken umgeben, die allesamt was von mir wollen, nämlich Medaillen, Siege, Werbeverträge und so weiter. Ich will einfach nur schwimmen und ich selbst sein. Kannst du das verstehen?«
»Ja klar. Warum kannst du denn nicht du selbst sein?«
»Weil das nicht möglich ist.«
»Wieso nicht?«
»Ich ...« Sascha presst die Lippen zusammen, sieht dabei nicht gerade glücklich aus. »Ach«, seufzt er. »Weshalb erzähle ich dir das überhaupt? Ist doch eh scheißegal!«
Plötzlich überkommt Leon eine Ahnung, was Saschas Problem sein könnte und sagt: »Ätzend, wenn man keine richtigen Freunde hat, stimmt's?«
»Ist das so offensichtlich?«
»Für mich schon.«
»Nimmst du meine Entschuldigung an?« Sascha streckt Leon die Hand entgegen.
»Klar!« Leon nimmt Saschas Hand, lächelt.
So schnell kann das Blatt sich wenden! Leon freut sich, dass Sascha sich zumindest ein wenig rehabilitiert hat. Es wäre schön, wenn der Händedruck den Beginn einer Freundschaft besiegelte. Zweifelsohne ist es vermessen und ebenso unrealistisch, sich einen freundschaftlichen Kontakt mit Sascha zu erhoffen, das weiß Leon. Aber was spricht gegen einen lockeren Austausch? Das würde Leon gut gefallen. Außerdem ist in diesem Fall ein gegenseitiges Grundverständnis vorhanden. Ein Sportler versteht einen anderen Sportler mit seinen sportlichen und die daran geknüpften persönlichen Höhen und Tiefen sehr viel besser als ein Nichtsportier. Mit anderen Worten: Wenn du ein Adler bist, fliege nicht mit Spatzen!, schmunzelt Leon in sich hinein.
»Vielleicht ergibt es sich, dass wir mal gemeinsam trainieren können. Was meinst du?«
Bei dem Angebot muss Leon nicht lange überlegen. »Das wär echt geil!«
»Hier bin ich meistens allein, hab niemanden um mich. Auf Dauer frustet das total. Weißt du, ist total scheiße, wenn du niemanden hast, mit dem du abhängen kannst. Das fehlt mir! Einfach mal zu quatschen ... so wie jetzt mir dir!«
»Und dein Trainer? Weshalb versteckst du dich vor ihm?«
»Der ist ein totaler Kontroll-Freak! Ab und zu muss ich Ilja einen Dämpfer verpassen, verstehst du? Manche Dinge bin ich leid. Dass ich der Star bin, treibt ihn in den Wahnsinn.« Sascha grinst und in seinem Gesicht spiegelt sich Genugtuung. »Mir liegt jeder zu Füßen, ihm nicht. Er ist eifersüchtig, das leugnet er natürlich. Aber ich weiß es, weil ich es ihm ansehe. Ich verrat dir was. Hör gut zu und lerne! Auch ein Trainer ist nur ein Mann, also Vorsicht!«
Ein inneres Gefühl sagt Leon, dass er das besser so stehen lassen soll und sich ein Nachhaken nicht lohnt. Sascha würde nur ausweichen!
»Ich muss los!«, sagt Leon.
»Unter Wasser hatte ich ne geile Aussicht!« Sascha rückt näher an Leon ran, wirkt plötzlich vertraulich.
Leon schaut Sascha an. Was geht denn nun ab?! Unter Wasser hatte ich 'ne geile Aussicht, damit meint Sascha: Ich hab auf die Beule in deiner Badehose geglotzt, hat mich angeturnt!
»Is' das 'ne Anmache?«, fragt Leon, weil er sich nicht sicher ist. Obwohl es eindeutig ist!
»Du bist ein süßer Junge. Was glaubst du?«
»Ich ...«
»Ich hab ein Zimmer für mich allein. Wenn du Lust hast, komm mich besuchen! Wir können Games auf meiner Playstation spielen oder...«. Sascha macht einen Schmollmund und drückt die Zungenspitze gegen die Wange, deutet damit Oralsex an. Er grinst, zwinkert mit dem Auge, streckt die Arme weit nach oben und versinkt wie eine Statue aus Stein im Wasser.
Der perfekte Abgang, die totale Inszenierung, wie Leon findet. Er hält es für das Beste, den Rückzug anzutreten. Mehr will er von Sascha weder hören noch sehen! Das ist too much\ Es passiert schließlich nicht täglich, dass man von einem prominenten Sportler angemacht wird. Leon hätte niemals vermutet, dass
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