Der neunte Buddha - Thriller
paar Informationen«, sagte er. »Sie waren ein wichtiger Mann. Noch vor gar nicht langer Zeit hatten Sie eine führende Stellung beim britischen Geheimdienst in Indien. Sie kannten alle Pläne Ihres Landes für die Region nördlich des Himalajas. Sie müssen eine Fundgrube an Information sein.
Offen gesagt, Major Wylam, betrachte ich Ihre Anwesenheit hier als enormen Vorteil. Als ich zum ersten Mal über Sie und Ihren Sohn Erkundigungen einholte, hatte ich keine Ahnung von Ihnen. Stellen Sie sich meine Überraschung und meine Freude vor, als ich auf eine zentrale Figur in einem Geheimdienstbereich stieß, der mir selbst so am Herzen liegt. Vielleicht gibt es die Götter ja doch. Vielleicht sind sie mir gerade günstig gesonnen.«
»Ich arbeite nicht mehr für den britischen Geheimdienst.« Christopher kratzte sich am Knie und schob seine rechte Hand immer näher an den Messergriff heran.
»Das kann ich nicht glauben. Wie sind Sie dann so schnell nach Indien gekommen? Wer hat Ihnen gesagt, wohin Sie gehen und wonach Sie suchen müssen?«
Christopher wurde unruhig. Ein Jahr war keine lange Zeit. Er verfügte noch über Informationen, die für Samjatin und die kommunistischen Zellen in Indien von unschätzbarem Wert sein konnten.
»Warum sollte ich Ihnen etwas von dieser Art preisgeben?«, fragte er.
Samjatin lächelte.
»Beleidigen Sie meinen Verstand nicht, Major. Ihre Lage ist ernst. Bitte vergessen Sie das nicht. Ihr Sohn hat seinen Zweck erfüllt. Zugegeben, ich hätte auch noch anderweitig Verwendung für ihn. Aber ich habe das gegen die Informationenabgewogen, die Sie haben müssen. Ihr Sohn könnte ja für mich tot von größerem Wert sein als lebendig. Bedenken Sie das bitte.«
»Wenn er stirbt, können Sie überhaupt nichts von mir erwarten.« Im Schatten hatten Christophers Finger jetzt den Messergriff erfasst und zogen die Waffe langsam heraus.
»Natürlich nicht. Ich bin doch nicht dumm. Aber bedenken Sie, dass ein Tod auch schleichend sein kann. Und dass es eine Alternative gibt. Ihr Vater hat einen Deal mit mir geschlossen. Das würde ich gern auch mit Ihnen tun. Für ein paar kleine Informationen – natürlich von Gewicht – können Sie das Leben Ihres Sohnes erkaufen.«
»Aber er ist doch noch ein Kind, um Gottes willen!«
»Wir alle sind Kinder. Sie, ich, Ihr Sohn. Die Menschen sind immer noch Kinder, töricht und unreif. Die Welt wird nur sehr langsam erwachsen. Sie wird es erst sein, wenn auf Erden eine neue Gesellschaft errichtet ist. Deshalb muss ich heute so hart sein. ›Wer an der Rute spart, verdirbt das Kind‹ – ist das nicht eine englische Redensart? Oder ›Ich muss grausam sein, nur um freundlich zu sein‹, sagt Hamlet. Oder ›Einen Setzling kann man biegen, einen Baum nicht‹. Ihr Engländer drückt diesen Gedanken auf so verschiedene Weise aus.«
»Und heute Nacht«, gab Christopher zurück, »wurden hier Setzlinge gebogen?«
»Hören Sie«, sagte Samjatin. »Mit Ihrer Welt ist es vorbei. Die alte Ordnung wird beseitigt. Eine neue tritt an ihre Stelle. Wenn ein Gebäude für unsicher erklärt wird, verschwenden Sie doch auch keine Zeit mehr darauf, die Risse zu überkleben oder es frisch zu verputzen. Sie reißen es ab. Und Sie nutzen die Steine, um ein neues Haus zu bauen. Verstehen Sie? Dabei spielt es keine Rolle, ob Blut fließt, ob Söhne ihre Väter oder Mütter ihre Töchter verlieren. Sie sind allesamt Steine für neue Bauten.«
Er blickte Christopher beinahe beschwörend an.
»Sie können wählen, was Sie sein wollen«, sagte er, »Steine oder Teil des neuen Hauses.«
»Und wenn ich keines von beiden sein will?« Der Messergriff schaute jetzt schon aus dem Stiefel heraus. Es folgte die Klinge, Zentimeter für Zentimeter.
»Sie haben keine Wahl. Sie müssen das eine oder das andere sein. Darüber hat die Dialektik der Geschichte entschieden. Keiner von uns kann daran etwas ändern. Wir können nur wählen, auf welche Seite wir uns schlagen.«
»Hatte einer der Mönche, die Sie heute Nacht getötet haben, eine Wahl? Haben Sie sie gefragt, ob sie sich an Ihrer Revolution beteiligen wollen?«
Samjatin schüttelte langsam den Kopf. Er wirkte wie ein Mann, der eine schwere Last auf seinen Schultern trägt. So sah er sich auch.
»Dies ist nicht die Revolution, Major Wylam. Es sind nicht einmal ihre schüchternen Anfänge. Wir haben hier weder ein städtisches Proletariat noch ein kapitalistisches System, das gestürzt werden muss. Nur Götter, Dämonen und
Weitere Kostenlose Bücher