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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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beendet, und Samjatin hatte die volle Kontrolle übernommen. Daran konnten kaum noch Zweifel bestehen. Nominell war die Führung des Klosters an Tsarong Rinpoche übergegangen, das hatte Christopher bereits vermutet. Aber die Fäden zog Samjatin. Und hinter ihm stand das neue Regime in Moskau.
    Sie stiegen zum obersten Stockwerk hinauf an Leichen vorbei, die die Treppen heruntergefallen waren.
    »Was tun Sie mit den Männern, die Sie getötet haben?«, fragte Christopher. »Wie wollen Sie so viele Leichen loswerden?«
    Zunächst glaubte er, der Rinpoche werde diese Frage ignorieren. Dann antwortete er doch, distanziert und gleichgültig wie ein Lehrer, dessen Schüler ihn nach der Großen Pest gefragt hatten:
    »Wie haben die all die Leichen bestattet, Sir?«
    »Es wird ein großes Himmelsbegräbnis geben«, sagte der Rinpoche. »Die Luft wird schwarz von Geiern sein. Es wird einige Tage dauern, aber es sind gierige Vögel, und Mönche sind magere Kost.«
    Jetzt begriff Christopher erst, was er mit »Himmelsbegräbnis« meinte. In Ländern, wo es wenig Boden und noch weniger Holz gibt, werden Leichen selten begraben oder verbrannt. Auch hier brachte man sie stattdessen zu hochgelegenen Orten, wo man sie mit Fleischermessern fachgerecht zerlegte und den Geiern zum Fraß vorwarf. Die Knochen wurden zu feinem Puder zermahlen und dann, mit dem Hirn vermischt, den Vögeln als Dessert angeboten. Christopher hatte oft Geier nach einer solchen Fressorgie gesehen.Zu schwer, um sich in die Luft zu erheben, ließen sie in der Stille der Berge nur ihr abstoßendes Flügelklatschen hören.
    Sie wurden ins oberste Stockwerk des Klosters geführt und gelangten schließlich in die langgestreckte Chörten -Halle, wo die Grabstätten schweigend im Dämmerlicht aufgereiht standen. Kupfer, Gold und Silber glühten dunkel wie der Tod. Am Ende des Raumes, umgeben von Kerzenlicht, erwartete sie eine ganz in Schwarz gehüllte Gestalt.
    Samjatin hatte einfachste Kleidung angelegt – Hose und chinesische Baumwolljacke. Er hatte kurz geschnittenes Haar, aber keinen glattrasierten Kopf wie die Mönche. Er saß im Schneidersitz auf einem Berg von Kissen, als sei er die Inkarnation einer Gottheit aus der Unterwelt. Christopher fiel ein, was Winterpole ihm darüber gesagt hatte, nämlich dass die Bolschewiken die Geschichte geradezu als Gottheit verehrten, die alles in ihrem Reich bestimmte. Als er Samjatin am Ende der riesigen Halle sitzen sah, glaubte er, dort throne die Geschichte selbst, in diesem Mann zu Fleisch geworden.
    Neben Samjatin saßen die beiden Kinder, William und Samdup. Man sah ihnen die Angst an, aber beide waren bemüht, sich nicht von ihr überwältigen zu lassen. William trug tibetische Kleider, in denen er sich sichtlich unwohl fühlte. Samdup war in eine kostbare Brokatrobe gehüllt und hatte eine spitze blaue Kappe auf dem Kopf. Beide Jungen blickten finster zu Boden.
    Christopher spürte, wie sein Herz in der Brust hämmerte. Bei jedem Schritt erwartete er, das William aufblicken und ihn erkennen werde. Er hielt einen Finger an die Lippen, um seinem Sohn ein Zeichen zu geben. Aber er musste sich sehr zusammennehmen, um nicht zu ihm zu stürzen und ihn in die Arme zu schließen.
    Jetzt waren sie nur noch wenige Meter von dem Thronentfernt. Samjatin ließ den Blick nicht von ihnen. Er starrte sie an wie ein Raubvogel, der sein Opfer erspäht hat und auf den rechten Augenblick wartet, um sich darauf zu stürzen. Christopher bemerkte, dass er lange, schmale Hände hatte wie Klauen. Sie lagen unbewegt in seinem Schoß wie bei Wachsfiguren in einem Museum.
    Plötzlich schaute Samdup auf und erblickte Chindamani. Er schrie auf und wollte zu ihr laufen, aber Samjatin hielt ihn mit seinem langen Arm fest.
    »Dafür ist noch genügend Zeit, mein Lämmchen«, sagte er.
    Jetzt hob auch William den Kopf. Er starrte Christopher an, ohne ihn sofort zu erkennen. Dann musste Christopher lächeln, und ein Leuchten huschte über das Gesicht des Jungen.
    »Vater!«, rief er.
    Christopher blieb wie angewurzelt stehen. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Eigentlich hätte er zu seinem Sohn stürzen müssen, aber als es so weit war, hielt ihn etwas zurück. Wollte er vor diesem Mann keine Gefühle zeigen?
    William rief ihn noch einmal an und versuchte aufzustehen. Auch ihn packte Samjatin beim Handgelenk und hielt ihn fest an seiner Seite. Er schaute Christopher direkt ins Gesicht. Dabei verdüsterte sich sein Blick für einen

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