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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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laufen als ein geflügeltesPferd. Du hast mir nie gesagt, dass dein Volk solche Wunderdinge vollbringen kann.«
    »Nein«, sagte Christopher und starrte in die Dunkelheit hinaus. »Das habe ich dir nicht gesagt. Alles, was wir tun, ist Zauberei. Eines Tages werden wir die ganze Welt in ein Märchenland verwandeln. Wart’s nur ab.«
49
    Diese Nacht rasteten sie in der Mitte einer weiten Niederung knapp dreihundert Kilometer nördlich von Sining-fu. Ein riesiger Mond verwandelte mit seinem Licht den Sand in Silber und die ganze Gegend in eine riesige polierte Schüssel. Sobald die Sonne untergegangen war, verlor auch der Sand seine Wärme. Mit Holzkohle, die sie in Sining-fu gekauft hatten, zündeten sie ein Feuer an, wo sie, vor Kälte zitternd, ihr Mahl verzehrten.
    Christopher konnte seine Sorgen Chindamani nicht verständlich machen. Er sagte ihr, sie würden in einigen Tagen in Urga sein. Da sie mit Wundern aufgewachsen war und der magische Puls des Autos sie begeisterte, das sie schon so weit in dieses Land ohne Eis und Schnee getragen hatte, glaubte sie ihm. Er sagte ihr auch, was er über Ungern-Sternberg erfahren hatte. Nicht um sie zu erschrecken, sondern um sie zu warnen. Winterpole hatte ihm noch berichtet, dass der Balte in Daurien ein Wolfsrudel hielt, dem er gelegentlich seine Opfer zum Fraß vorwarf. Aber Chindamani hatte noch nie einen Wolf gesehen oder in der Nacht heulen hören. So meinte sie, Christopher erzähle ihr Märchen, so wie sie einst Samdup in seinem Labrang im tiefsten Winter mit Geschichten unterhalten hatte.
    Der Junge fehlte ihr sehr. Sie ängstigte sich um ihn, besondersjetzt, da die Entfernung zu ihm immer kürzer wurde. Abergläubische Furcht stieg in ihr auf, sie könnte an seinem Tod schuldig werden. Inzwischen hatte sie gesehen, wozu Samjatin fähig war und dass er auch vor Kindern nicht haltmachte.
    Ihr Verhältnis zu Christopher verunsicherte sie zusehends. Sie liebte ihn auf eine Weise, die ihr immer neue Überraschungen und Wonnen brachte. Seine Augen, seine Hände, die fremde Härte seines Bartes, wie merkwürdig er tibetische Wörter aussprach, die Zärtlichkeit seiner Finger, sein leichter Atem an ihrer feuchten Haut – all das brachte ihr neue, unbekannte Freuden. In seiner Gegenwart fühlte sie sich rundherum wohl. Wenn sie sein Bett teilte, empfand sie einen Genuss, auf den nichts in ihrem bisherigen Leben sie vorbereitet hatte. Sinnenlust hatte sie bisher stets als eine Sache für gewöhnliche Sterbliche oder Götter betrachtet. Da sie sich als keines von beiden sah, fühlte sie sich davon nicht berührt.
    Zum ersten Mal lernte sie, was Versuchung war – ihre Macht, ihre Raffinesse und ihre Innigkeit. Sie hätte mehrere ihrer Leben gegeben, damit er noch einmal in sie eindrang, sie noch einmal seine Lippen auf ihren Brüsten spüren oder nur in der Dunkelheit nackt neben ihm liegen durfte. In ihrer ersten Nacht in der Wüste nahm er sie mit einer Leidenschaft, die sie noch nicht an ihm kannte. Als sie ihn in sich spürte, ging ihr eine einfache Wahrheit auf: Liebe wurde nicht weniger. Sie wuchs mit jedem Tag, und nichts konnte sie aufhalten, außer die Liebe selbst.
    Immer öfter fragte sie sich, wie sie weiterleben sollte, wenn der Zeitpunkt kommen würde, da sie ihn verlassen und in die Schattenwelt zurückkehren musste, der sie angehörte.
    Sie brauchten zwei weitere Tage, um die Gobi und die niedrige Bergkette an ihrem Rand hinter sich zu lassen. Fünfmalblieb der Wagen liegen, und jedes Mal fluchte Winterpole, das sei das Ende. Er schimpfte und bastelte so lange, bis ein Wunder geschah, der Wagen sich in sein Schicksal fügte und sie weiterrollten. Christopher war überrascht, so viel praktisches Geschick bei einem Mann wie Winterpole zu finden, dem er das nie zugetraut hätte. Es stellte sich heraus, dass Autos seine Leidenschaft waren. Er meinte, sie seien ihm lieber als Menschen. Das glaubte ihm Christopher aufs Wort.
    Nun lag die Wüste hinter ihnen, und sie fuhren durch offenes Gelände. Um sie breitete sich Grassteppe aus, so weit das Auge reichte. Das war das Land der Nomaden, eine Welt der weißen Jurten und wilden Pferde, welliger Wiesen und gewundener Flüsse, wo riesige Herden von Schafen, Ziegen und Rindern friedlich grasten. Sie kamen an einer kleinen Herde weißer Pferde vorbei, die einen Talisman im Filztäschchen auf ihrer breiten Brust trugen. Es waren heilige Tiere, die einem nahe gelegenen Kloster gehörten. Hunde sprangen bellend um den

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