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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wagen herum, wenn sie an kleinen Nomadenlagern vorüberfuhren. Dann wurde es wieder still, und sie rollten im höchsten Gang dem blauen Horizont entgegen. Die Stimmung stieg.
    »Bis Urga sind es noch 250 Kilometer«, sagte Winterpole. »Wenn wir Glück haben, sind wir morgen dort.«
    An diesem Nachmittag fuhren sie durch riesige Matten von lila und weißen Kuhschellen, die im sich wiegenden Gras blühten. Der Winter lag nun weit hinter ihnen, und die Schneefelder Tibets waren nur noch eine Fata Morgana. Wohin sie blickten, erstreckte sich ein farbenprächtiger Teppich bis zum Horizont. Auf Christophers Bitte hielt Winterpole, und sie stiegen aus.
    Er sah zu, wie Chindamani sich mit großen Augen bückte und ihre Hand über eine lila Blume gleiten ließ.
    »Du musst daran riechen«, sagte er.
    Aber der Duft war überall, ein reiches, ungewohntes und kaum erträgliches Aroma wie das Parfüm einer Frau, vom Sonnenlicht erwärmt.
    »Ich habe dir gesagt, dass es in der Mongolei Blumen gibt«, flüsterte sie. Eine leichte Brise kam von Norden und ließ ihr Haar flattern. Gras und Blüten wiegten sich. Ein riesiger Ozean ohne Küsten bewegte sich zu einer unhörbaren Melodie.
    »Hat es sich gelohnt, hierherzukommen?«, fragte er.
    Sie erhob sich und lächelte, verzaubert von dem unermesslichen Grün. Für ihn war es das Normalste von der Welt – eine Wiese voller Blumen. Für sie aber stand die Welt kopf.
    Plötzlich lachte sie laut auf und begann zu laufen. Wie ein Kind beim ersten Picknick hüpfte sie überglücklich in dem Blumenmeer herum. Christopher versuchte, sie sich zu Hause in Northumberland vorzustellen, wie sie in einem englischen Sommer in Carfax über gepflegten Rasen zum Fluss hinunterlief. Aber ihre tanzende Gestalt erinnerte ihn an etwas anderes, das diese schöne Welt in Stücke zerfallen ließ.
    Plötzlich blieb sie unvermittelt stehen. Sie schrie nicht und rief nicht nach ihm, aber Christopher wusste sofort, dass etwas Schlimmes geschehen war. Sie stand stocksteif da, die Hände ineinander gekrampft, und starrte auf etwas, das er nicht sehen konnte.
    »Bleiben Sie hier«, befahl er Winterpole, wobei er automatisch das Kommando übernahm. »Holen Sie Ihren Revolver aus dem Wagen. Vielleicht ist es nichts weiter, aber wir dürfen kein Risiko eingehen. Und lassen Sie den Motor laufen.«
    Er rannte auf sie zu und betete, es möge ihr nichts geschehen sein, sie sei nur über etwas Unerwartetes erschrocken.
    Vielleicht war ein Rehkitz vor ihr aufgesprungen und davongelaufen. Aber ihr Schweigen beunruhigte ihn mehr, als ein Hilfeschrei es hätte tun können.
    Er begriff nicht gleich, worum es sich handelte. Chindamani stand vor einem sanften Abhang, der an einem kleinen Fluss auslief. Nach allen Seiten, so weit das Auge sah, war er mit runden Gegenständen bedeckt, die anfangs wie dicke Stiele von Pflanzen aussahen, aus denen Kürbisse oder kleine Melonen wuchsen.
    Als er Chindamani erreicht hatte, sah er, was sie sah. In einem nahen Wald hatte man Äste abgeschnitten und über den ganzen Abhang hin bis zum Flussufer in die Erde gerammt. Auf jedem steckte wie ein groteskes Opfer ein Menschenkopf.
    Christopher schätzte, dass die Köpfe seit ungefähr einem Monat hier standen. Von einigen war fast nur noch der nackte Schädel übrig, andere schienen geschrumpft wie Mumien mit dunkler, ledriger Haut. Auf manchen sah er chinesische Soldatenmützen. Ihre Zahl war nicht zu schätzen. Er glaubte, das Feld müsste sich kilometerweit erstrecken, bis der Fluss ins Meer mündete. Von dem Punkt, wo sie standen, war kein Ende zu erkennen.
    Er fasste Chindamani bei den Schultern und führte sie fort. Als sie sich umwandten, sah er einen einzigen Pfahl, der über den Abhang ragte. An ihn hatte man ein Schild genagelt. Christopher ging hin und schaute es sich an.
    Auf Chinesisch und Russisch stand etwas darauf geschrieben. Er las das Russische, konnte aber den Sinn nicht verstehen. Da stand:
    Noch 130 Tage, und es ist vollbracht. Ich bin der Tod. Ich bin der Zerstörer der Welten. Robert von Ungern-Sternberg In den letzten beiden Sätzen erkannte er ein Zitat aus dem Bhagavad Gita , einem spirituellen Gedicht des Hinduismus. Aber der erste Satz war ihm ein Rätsel. Er wirkte wie der Apokalypse entnommen. Er war sicher, in der Offenbarung des Johannes hatte er ihn nicht gelesen.
    Noch einmal warf er einen Blick auf die grausigen Trophäen, die Zeichen von Ungern-Sternbergs Gemetzel. Dann schaute er zum Fluss hinunter.

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