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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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passiert war, und warteten auf Hilfe aus Moskau. Man sagte mir, damals seien dort fünfundvierzigtausend Menschen erfroren. Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Aber ich habe viele Leichen gesehen. Alle wunderbar erhalten.«
    Er hatte Mühe, weiterzusprechen.
    »In einem Wagen saß eine wunderschöne Frau. Sie war in einen Zobelpelz gehüllt, und ihr Haar sah aus wie feinste Spitze. Im Tod war sie kaum verändert. Sie war leichenblass und steif gefroren, aber immer noch von vollkommener Schönheit. Sie wirkte wie eine Puppe, weiß, traurig und unberührbar. Ich wollte ein Fenster einschlagen und einsteigen, um sie aus der Nähe zu betrachten. Ich wollte sie küssen, nur um zu erfahren, wie das Eis auf ihren Lippen schmeckte. Ich glaubte fast, ich könnte sie auftauen, durch meine Wärme wieder zum Leben erwecken. Sie war so still, totenstill.«
    Er verstummte, von Erinnerungen überwältigt, als er die überfrorenen Wagen der Transsibirischen Eisenbahn entlangging, bleiche Gesichter sah und die hölzernen Viehwagen, in denen die Leichen abtransportiert wurden.
    Christopher überließ ihn seinen Gedanken und stieg wieder zu ihrem Zimmer hinauf. Sie würden bald aufbrechen müssen. Er hatte keine Wahl. Niemals hatte er eine Wahl gehabt.

In der Mongolei

48
    Sie brachen noch am selben Vormittag auf. Chödrön blieb in Sining-fu bei den Besitzern des Rasthauses. Die Wirtin hatte Gefallen an ihr gefunden, und als sie ihre Geschichte hörte, bot sie spontan an, sie bei sich zu behalten. Das Mädchen war überglücklich. Der Trubel in Sining-fu, der ersten größeren Stadt, die sie je gesehen hatte, der Luxus, in einem Haus statt in einem Zelt leben zu dürfen, drängte für den Augenblick den Verlust zurück, den sie erlebt hatte. Sie willigte mit Freuden ein. Weder Chindamani noch Christopher konnten sich eine bessere Lösung denken.
    Chindamani fiel es schwer, sich von der Kleinen zu trennen. Von ihrer alten Amme Sönam abgesehen, hatte sie noch nie weibliche Gesellschaft gehabt. Chödröns Einsamkeit erinnerte sie an ihre eigene Kindheit. Vielleicht war das Gesetz, das vorschrieb, dass ein Kind seinen Eltern in so frühem Alter weggenommen wurde, nur um eine weitere Phase im Zyklus seiner Inkarnationen zu leben, auf seine Weise nicht minder brutal als die Gewalt, die Chödrön zur Waise gemacht hatte.
    Das Fahrzeug war ein stabiler kleiner Fiat, den Winterpole für einen stattlichen Preis vom Daotai erworben hatte. Er war für Wüstenfahrten eingerichtet und hatte dem Daotai für Jagdzüge in die Gobi gedient. Mit dem Benzinvorrat, dem Wasser, den Zelten und Lebensmitteln, die sie mitführten, wären sie getrost bis nach Sibirien und zurück gekommen. Winterpole setzte sich ans Steuer, während Christopher mit Hilfe von Karten, die ihnen die britische Botschaft in Pekingzur Verfügung gestellt hatte, die Aufgabe des Navigators übernahm.
    Von Sining-fu rollten sie am östlichen Rand des Nanshan-Gebirges entlang geradewegs nach Norden und bogen dann leicht nach Osten ein. Am späten Nachmittag passierten sie bei Wuwei die Große Mauer. Die niedrigen Lehmwälle, an denen Menschen und Zeit gleichermaßen ihr Zerstörungswerk verrichtet hatten, waren nur noch von symbolischem Wert. Wie unansehnlich diese Reste auch wirken mochten, Christopher spürte, dass sie mehr als eine symbolische Grenze überquerten.
    Einmal kam ihnen eine lange Kamelkarawane entgegen. Die Tiere äugten erstaunt auf das Fahrzeug. Einen Moment lang roch es nach Gewürzen und anderen Waren, dann waren sie vorüber, und die Wüste gehörte wieder ihnen allein. Vor ihnen erstreckte sich der Ala-Shan bis zum dunstigen Horizont. Dahinter lag die eigentliche Wüste Gobi in der flimmernden Sonne. Im Wagen war es unerträglich heiß.
    »Sie haben mir von Daurien erzählt«, sagte Christopher zu Winterpole. »Von Ungern-Sternbergs Zeit in dieser Gegend.« Er saß auf der Rückbank neben Chindamani, die erst nach langem Zureden in den Wagen gestiegen war. Immer noch schwankte sie zwischen Angst und Bewunderung über die Geschwindigkeit, mit der sich das Gefährt fortbewegte.
    Winterpole blickte auf wie ein Mann, den man plötzlich aus tiefem Schlaf gerissen hat.
    »Daurien? Ach so, natürlich, Daurien.« Er sah aus dem Fenster, wo die Wüste vorüberflog und sich auf allen Seiten die gleichen sterilen Sanddünen auftürmten.
    »Ich möchte, dass Sie begreifen, wie es dort war, Christopher. Dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen. Glauben Sie mir, wenn wir die

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