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Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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recht. Es besteht aber noch keine Notwendigkeit, daß ich Theater mache. Ich warte, bis sie tatsächlich sagen: ›Wir brauchen Ihre Niere, junger Mann.‹ Dann kann ich Widerstand leisten, wenn ich mich endgültig dafür entscheide. Weshalb schwanke ich? Bin ich von der Ungerechtigkeit des ganzen Organspende-Systems nicht ganz überzeugt? Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich schwanke. Sich zur Untersuchung einfinden, heißt noch lange nicht, sich an das System verkaufen. Jedenfalls ging ich hin. Sie klopften hierhin und röntgten das und starrten dort hinein. Bitte gähnen. Bitte bücken. Bitte husten. Bitte, den linken Arm ausstrecken. Sie führten mich vor eine Batterie von Diagnose-Maschinen, und ich stand da und hoffte auf das rote Lämpchen – Tilt! verschwinden Sie von hier! – aber ich war, wie erwartet, in perfekter körperlicher Verfassung und geeignet für den Aufruf. Ich traf mich mit Kate, wir gingen im Park spazieren, hielten Händchen und betrachteten den prächtigen Sonnenuntergang, während wir besprachen, was ich tun soll, wenn und falls der Aufruf kommt. Falls? Wunschdenken, mein Junge!
    Wenn deine Nummer aufgerufen wird, brauchst du keinen Militärdienst zu leisten und erhältst jedes Jahr einen besonderen Steuerfreibetrag von 750 Dollar. Große Sache.
    Noch etwas, worauf sie sehr stolz sind, ist das Programm der freiwilligen Spende unpaariger Organe. Das hat nichts mit dem Zwangseinzug zu tun, bei dem, jedenfalls bisher, nur paarige Organe requiriert werden, Organe, die man entbehren kann, ohne sterben zu müssen. Seit zwölf Jahren kann man jedes beliebige Krankenhaus der Vereinigten Staaten betreten und ein einfaches Formular unterschreiben, das den Chirurgen erlaubt, einen aufzuschneiden. Augen, Lungenflügel, Herz, Gedärme, Bauchspeicheldrüse, Leber – alles kann man hergeben. Dieses Verfahren wurde in einfacheren Zeiten Selbstmord genannt und von der Gesellschaft mißbilligt, vor allem in Zeiten eines Mangels an Arbeitskräften. Jetzt haben wir einen Überschuß an Arbeitskräften, denn obwohl unser Bevölkerungszuwachs seit Mitte des Jahrhunderts ziemlich gering war, ist das Wachstum der Arbeiter sparenden mechanischen Anlagen und Verfahren enorm gewesen. Sich zu dieser Art von Totalspende zu entschließen, gilt daher als Tat von höchstem gesellschaftlichem Nutzen, weil sie dem überfüllten Reservoir an Arbeitskräften einen gesunden jungen Leib entzieht und gleichzeitig irgendeinem älteren Staatsmann die Sicherheit gibt, daß das Angebot an lebenswichtigen Organen nicht übermäßig schrumpft. Man muß natürlich verrückt sein, um sich da zu melden, aber in unserer Gesellschaft hat es an Verrückten nie gemangelt.
    Wird man durch einen glücklichen Zufall mit einundzwanzig nicht aufgerufen, ist man in Sicherheit. Und ein paar von uns schlüpfen, wie man hört, durch die Maschen. Bis jetzt sind mehr von uns in der ganzen Zwangsgemeinschaft, als es Patienten gibt, die Verpflanzungen brauchen. Aber das Verhältnis ändert sich schnell. Das Gesetz ist noch ziemlich jung. Es wird nicht lange dauern, bis sie das Reservoir ausgeschöpft haben, und wie geht es dann weiter? Die Geburtenraten sind heutzutage niedrig; das Angebot an verpflichtbaren Personen ist begrenzt. Die Sterbeziffern sind aber noch niedriger; der Bedarf an Organen ist im Grunde unbegrenzt. Ich kann dir nur eine meiner Nieren geben, wenn ich überleben will; aber du brauchst, wenn du immer weiterlebst, vielleicht mehr als eine Nierenverpflanzung. Manche Empfänger brauchen fünf oder sechs Nieren oder Lungenflügel, bis sie im Alter von hundertsiebzig Jahren oder so endgültig jede Hoffnung auf eine Genesung aufgeben müssen. So, wie jene, die Organe gespendet haben, später selbst Organe verlangen werden, wird sich der Druck auf die Gruppe der Personen unter einundzwanzig steigern. Die der Verpflanzung Bedürftigen werden in der Überzahl gegenüber jenen sein, die Organe spenden können, und jeder, der sich im Reservoir befindet, kommt an die Reihe. Und dann? Nun, man könnte das Einzugsalter auf siebzehn oder sechzehn oder gar vierzehn Jahre senken, aber selbst das wäre nur eine vorübergehende Lösung. Früher oder später gäbe es nicht mehr genug Ersatzorgane für alle.
    Bleibe ich? Flüchte ich? Gehe ich vor Gericht? Die Zeit läuft ab. Mein Aufruf wird sicherlich in einigen Wochen kommen. Ich spüre ab und zu ein Prickeln am Rücken, so, als sägte jemand heimlich an meinen Nieren

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