Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
gefunden werden, die Immunreaktion zu unterdrücken. Drogen, Strahlungsbehandlung, Stoffwechselschock – so oder so, das Problem der Organabstoßung ist längst gelöst. Ich kann mein Einzugsabstoßungs-Problem nicht lösen. Alte und gierige Gesetzgeber, ich stoße euch und eure Gesetzgebung ab.
    Mein Aufruf kam heute. Man braucht eine meiner Nieren. Die übliche Bitte.
    »Sie haben Glück«, sagte jemand beim Mittagessen. »Sie hätten auch eine Lunge verlangen können.«
    Kate und ich wandern in den grünen, schimmernden Hügeln, stehen zwischen den blühenden Oleanderbüschen, dem Koriander und Jasmin und was es noch so alles gibt. Wie schön ist es, am Leben zu sein, diesen Duft zu atmen, unsere Körper der grellen Sonne zu zeigen. Ihre Schönheit treibt mir Tränen in die Augen. Ihre Haut ist seidig und glatt. Sie wird nicht davonkommen. Keiner von uns wird davonkommen. Zuerst ich, dann sie, oder ist sie mir voraus? Wo werden sie den Schnitt machen? Hier, an ihrem runden, glatten Rücken? Hier, am flachen, straffen Bauch? Ich sehe den Hohepriester am Altar stehen. Beim ersten Dämmerschein fällt sein Schatten über sie. Das Obsidianmesser in seiner erhobenen Hand glitzert auf furchtbare Weise. Der Chor bietet dem Blutsgott eine dissonante Hymne. Das Messer zuckt herab.
    Meine letzte Chance, über die Grenze zu entkommen. Ich bin die ganze Nacht wach gewesen und habe alles abgewogen. Es gibt keine Hoffnung auf Berufung. Die Flucht hinterläßt in meinem Mund einen schlechten Geschmack. Vater, Freunde, sogar Kate, alle sagen, bleib, bleib, bleib, stell dich den Tatsachen. Die Stunde der Entscheidung. Habe ich wirklich die Wahl? Ich habe keine Wahl. Wenn die Zeit kommt, ergebe ich mich friedlich.
    Ich melde mich im Transplantations-Amt zur zwangsweisen Spenderchirurgie in drei Stunden.
    »Was ist schließlich schon eine Niere?« sagte er kühl. Ich werde ja noch eine zweite haben, nicht wahr? Und wenn die nicht funktioniert, kann ich ja Ersatz bekommen. Ich werde ein Bevorzugter Empfänger sein, Stufe 6 A, soviel das wert sein mag. Aber ich finde mich mit meinem automatischen 6 A nicht ab. Ich weiß, was aus dem Vorrangsystem werden wird; es ist besser, ich schütze mich. Ich gehe in die Politik. Ich steige auf. Ich erlange Aufwärtsbewegung aus aufgeklärtem Eigeninteresse, richtig? Richtig. Ich werde so bedeutend, daß die Gesellschaft mir tausend Verpflanzungen schuldet. Und eines schönen Jahres bekomme ich meine Niere wieder. Drei oder vier Nieren, fünfzig Nieren, soviel ich brauche. Ein, zwei Herzen. Ein paar Lungenflügel. Eine Bauchspeicheldrüse, eine Milz, eine Leber. Sie werden mir nichts verweigern können. Ich werde es ihnen zeigen. Ich werde es ihnen zeigen. Ich werde seniorer sein als die Senioren. Das ist Ihr aktiver Kämpfer für Körperliche Unversehrtheit, wie? Ich werde wohl aus der Liga austreten müssen. Leb wohl, Idealismus. Leb wohl, moralische Überlegenheit. Leb wohl, Niere. Leb wohl, leb wohl, leb wohl.
    Es ist geschehen. Ich habe meine Schuld der Gesellschaft gegenüber beglichen. Ich habe den Mächten, die da herrschen, mein Pfund Fleisch geopfert. Wenn ich das Krankenhaus in ein paar Tagen verlasse, werde ich eine Karte besitzen, die meine Einstufung nach 6 A bestätigt.
    Erstrangig, mein Leben lang.
    Na, ich lebe vielleicht tausend Jahre.

 
Ein Präzedenzfall
    Am Abend vorher war die Sonne blutrot untergegangen, und Colonel John Devall hatte deshalb schlecht geschlafen. Die Atmosphäre auf Markin förderte für gewöhnlich blutrote Sonnenuntergänge nicht, auch wenn sie gelegentlich an Abenden vorkamen, wo das Blau des Sonnenlichts besonders gut gestreut war. Die Marker brachten blutrote Sonnenuntergänge mit bevorstehendem Unheil in Zusammenhang. Colonel Devall, der die kulturelle und militärische Mission auf Markin leitete, neigte selbst mehr zur Kultur als zum Militär und akzeptierte deshalb den Glauben der Marker, daß der Sonnenuntergang einen Konflikt ankündigte.
    Er war ein hochgewachsener Mann, gut gebaut, mit aufrechter Haltung und den scharfen, hellen Augen und der knappen Art des Militärs. Er versuchte erfolgreich, den Eindruck eines mit Autorität ausgestatteten Offiziers zu erwecken, und seine Männer achteten und fürchteten das Bild, das er ihnen darbot.
    Eigentlich war er gelernter Anthropologe. Die militärische Laufbahn war ein späterer, aber kluger Entschluß gewesen; er hatte ihm das Kommando über den Vorposten auf Markin eingebracht. Das Amt für

Weitere Kostenlose Bücher