Der normale Wahnsinn - Roman
Entscheidung …« Erschrocken halte ich inne. Mist, hab ich’s jetzt verbockt, oder was? Wie blöd von mir. Warum musste ich diese Baby-Sache überhaupt erwähnen? Ali versucht’s ja schon seit Jahren. Und dann wird Nikki schwanger nach nur einer Nummer oder so, und alles, was sie den lieben langen Tag tut, ist jammern. Und ich blöde Kuh muss Ali das auch noch auf die Nase binden. Jetzt wird sie den ganzen Tag über wieder ’ne scheiß Laune haben, und ich dumme Nuss hab’s auch wirklich nicht besser verdient.
Sie isst ihr Croissant und schaut mich an. Ich versuche zu lächeln, aber irgendwie krieg ich’s nicht hin. Und dann sagt sie: »Wenn sie so genervt ist, richte ihr doch aus, dass ich ihr das Baby abkaufe. Für achttausend Mäuse sind wir im Geschäft – das ist der Preis für zwei IVF-Behandlungen.«
Ich hab ’nen Kloß im Hals und schweige.
»War nur ein Witz«, sagt sie. Und dann lächelt sie, und ich denke, es ist ein ehrlich gemeintes Lächeln. »Tut mir leid für Nikki«, fährt sie fort. »Niemand sollte in ihrem Alter schon mit einem Baby belastet sein. Das ist doch nicht fair, oder? Diejenigen, die keins wollen, kriegen eins aufgebürdet, und die, die sich nichts sehnlicher wünschen, warten vergeblich. Mutter Natur, wie? Um ehrlich zu sein, ich glaube, Mutter Natur ist ein niederträchtiges altes Aas.«
Sie lächelt immer noch, aber das kann sich jeden Moment ändern. Ich weiß, wovon ich rede. Nervös sehe ich zu, wie sieihr Croissant zu Ende isst. Dann sagt sie: »Kannst du noch mal rasch rübergehen und mir noch eins holen? Eins mit Schokoladenfüllung? Ich bin fast am Verhungern. Keine Ahnung, was heute in mich gefahren ist.«
Ich weiß es auch nicht. Aber als ich schon fast aus der Tür raus bin, ruft sie hinter mir her: »Und wenn dein Stalker wieder da ist, sag ihm, er soll herkommen und was kaufen. Wir brauchen Umsatz.«
Das ist nicht mein Stalker, sondern ihrer. Da bin ich mir ganz sicher. Sie passen zusammen. Er ist ein Freak. Und wenn er tatsächlich wieder im Starbucks sitzt, werde ich den Teufel tun und mit ihm sprechen. Sie hat das sowieso nicht ernst gemeint, oder doch? Wer weiß, sie ist schon irgendwie komisch drauf heute.
Ich kaufe das Schokocroissant und setze mich draußen an einen der Tische. Es ist der Platz, an dem der Stalker immer sitzt. Ich will Nikki ’ne SMS schicken. Hab irgendwie ein schlechtes Gewissen. War vorhin am Telefon ein bisschen pampig zu ihr, und als Ali eben meinte, dass sie ihr leidtut, da hab ich mich mies gefühlt. Klar, ihr Gejammer nervt, aber leid tut sie mir eben auch. Seit Lulu auf der Welt ist, war Nikki nicht mehr aus. Seit drei Monaten also. Ich schreibe ihr ’ne SMS und sage ihr, dass wir heute Abend was zusammen unternehmen werden. Und dass ich meine Mum frage, ob sie so lange auf Lulu aufpasst. Mum wird das bestimmt gern machen. Denke ich.
Arme Nikki. Da wird sie gleich so mir nix, dir nix schwanger. Wie blöde. Okay, ich war auch schon ziemlich oft blöde in diesem Punkt, aber ich hatte Glück, nehme ich an. Doch wenn mir so was mal passieren würde, ich würd’s auf keinen Fall behalten. Na ja, bei diesem Thema muss ich vorsichtig sein. Kann ja schlecht was über Abtreibung in die Welt hinausposaunen, oder? Wenigstens nicht in Anwesenheit von Ali … wenn Sie verstehen.
Nikki schickt mir sofort ’ne SMS zurück. KANN HEUT ABEND NICHT. LU IST ERKÄLTET. Was ist los mit ihr? Ich meine nicht mit Lulu, das weiß ich ja jetzt. Ich meine Nikki. Dagibt man ihr ’ne Chance für ’ne kleine Auszeit, und sie stößt einen so vor den Kopf. Ist übrigens nicht das erste Mal, dass so was passiert. Bekloppte Kuh. Trotzdem tut sie mir immer noch leid. Werd ihr ein kleines Geschenk kaufen, um ihr ’ne Freude zu machen. Das bring ich ihr dann später vorbei. Vielleicht eins von diesen Portemonnaies, die wir gestern reingekriegt haben. Süße kleine Dinger mit flauschigen rosa Federn.
Der Himmel ist voll mit tollen Sachen. Irgendwie ’ne kleine Entschädigung dafür, dass ich ’nen richtigen Schizo-Boss hab. Aber ich mag Ali, damit man mich jetzt nicht missversteht. Sie hat mir vor sechs Monaten praktisch das Leben gerettet. Da hatte ich gerade ihren Laden entdeckt. Diese ganzen tollen Sachen. So was hatte ich vorher noch nie gesehen. Wo ich wohne, gibt’s nur Ramschläden und Grillbuden. Ist mir peinlich, das zuzugeben, aber ich hatte vor, in Alis Laden was mitgehen zu lassen. Diese grünen Lederhandschuhe, um genau zu sein.
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