Der normale Wahnsinn - Roman
sich dabei fühlt. Aber nein, wann immer der Versuch, ein Baby zu machen, ansteht, ergreifeich die Initiative. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Ich möchte einfach nur noch, dass es aufhört. Dass die Verbitterung endlich so etwas wie einer unwiderruflichen Resignation weicht.
Vielleicht wäre ich dann auch nicht mehr so launisch. Traurig vielleicht, aber um Gottes willen bitte nicht mehr so launisch .
»Lauf mal rüber ins Starbucks und hol uns was zum Frühstück«, sage ich und drücke Michele einen Zehner in die Hand. Dann fische ich die Schlüssel aus meiner Handtasche und schließe den Laden auf.
Meinen Laden. Den Himmel . Ja, so heißt er.
Ich wollte ein Kind, aber als nichts daraus wurde, habe ich mir stattdessen diesen Laden angeschafft. Früher war hier mal ein Café. Wo man Gewürzbrot-Männlein mit Augen aus Smarties kaufen konnte, und in dem sich eine Ecke mit Spielsachen für Kleinkinder befand. N10 ist ein Mütter-Viertel, müssen Sie wissen, und der Vorbesitzer kannte seine Pappenheimer nur zu gut. Als er den Shop dann an mich verkaufte, waren die Muttis aus der Gegend ziemlich aufgebracht. Die haben sich benommen wie Junkies, die man aus ihrem Crack-Hausflur vertrieben hat. Und während ich den Laden auf Vordermann brachte, beobachteten mich die Muttis argwöhnisch, während sie draußen ihre Kinderwagen vorbeischoben. Nach der Eröffnung beruhigten sich die Gemüter dann wieder ein wenig. Immerhin habe ich auch Crack für Muttis im Angebot: Kerzen, Badeöl und bestickte Geldbörsen, ledergebundene Notizbücher, handgefertigten Schmuck und bisweilen auch Dessous … Mein Laden ist wunderschön. Himmlisch im wahrsten Sinne des Wortes. Im Grunde ist es ein Shop nur für mich. Ich bin jemand, der – wenn er nicht bekommt, was er will – findet, dass ein überteuertes Schaumbad den Schmerz darüber durchaus zu lindern vermag. Und ich erkannte, dass ich nicht die einzige Frau bin, die so denkt. Nicht notwendigerweise nur Frauen, die keine Kinder bekommen können, sondern auch solche, die eines schnellen,vorzugsweise wohl riechenden Trostes bedürfen, wann immer das Leben es nicht so gut mit ihnen meint. Und ich hatte Recht. Der Himmel entpuppte sich als voller Erfolg, Gott sei Dank. Obwohl es in letzter Zeit beängstigend leer hier ist. Nur eine kleine Flaute, wie ich hoffe, bevor der Vor-Weihnachts-Wahnsinn losbricht.
Während ich die elektronische Kasse in Betrieb nehme, erscheint Michele mit Kaffee und Gebäck. Ich schnappe mir die Brötchentüte und tauche förmlich darin ein. Hab ich einen Hunger! Keine Ahnung, warum. Ich hatte ja eigentlich schon zu Hause gefrühstückt. Liegt vermutlich am Sex. Ich beiße in mein buttriges Croissant und drücke Michele fest an mich.
»Warum denn das?«, japst sie und macht einen kleinen Schritt zurück.
»Nur ein kleines Dankeschön – für die Croissants«, erkläre ich. Ich kann ihr ja schlecht erzählen, dass ich noch eine nostalgische Nase voll abgestandenem Zigarettenqualm brauchte.
Michele : Ich begreife sie nicht. Als sie heute zu spät kam, hätte ich wetten können, dass sie ’ne scheiß Laune hat. Dass sie ’nen Riesenstreit mit Paul hatte oder so. Und als sie dann kam und mich rauchen sah, dachte ich nur: verdammter Mist! Sie hasst es, wenn ich rauche, und dann diese Blicke, die sie mir deswegen immer zuwirft. Wenn ich mal für ’ne Zigarette vor die Tür gehe, stelle ich mich immer so, dass sie mich nicht sehen kann. Und jetzt diese Umarmung. Für ein Croissant. Das sie bezahlt hat. Mann, ich kapiere es einfach nicht.
»Mit wem hast du denn telefoniert, als ich kam?«, fragt sie mich.
»Nur mit Nikki«, sage ich.
»Wie geht’s ihr denn?«
Das klingt jetzt erst mal ziemlich neugierig, oder? Ali erkundigt sich immer nach meinen Freundinnen, obwohl sie die meisten von ihnen nicht mal kennt, aber mir ist’s egal. Vielleicht istsie ja einfach nur interessiert an meinem Leben. Ich finde das ziemlich nett von ihr. Ich meine, sie ist ja schon über vierzig oder so und verglichen mit mir ’ne gestandene Frau, also warum sollte sie sich für mich interessieren?
»Na ja, die meckert an allem und jedem rum wie immer«, sage ich ihr. »Dauernd erzählt sie mir, dass sie keine Zeit mehr für sich hat, dass sie zu wenig Schlaf kriegt, das übliche Blablabla. Wenn man sie so hört, könnte man fast glauben, sie wäre die erste Frau, die je ein Kind gekriegt hat, und dabei war’s sogar ihre freie
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