Der normale Wahnsinn - Roman
Wollte sie meiner Bewährungshelferin schenken. Die hatte sich für mich nämlich richtig den Arsch aufgerissen, und ich wollte mich dafür bedanken. Ich hab Ali durchs Schaufenster gesehen. Sie war allein im Laden, weshalb ich die Handschuhe nicht so ohne Weiteres einstecken konnte. Und dann sah ich das kleine Schild: »Aushilfe gesucht« und dachte, wow, in so einem Laden würd ich wirklich gern arbeiten.
Ich dachte nicht, dass sie mich nehmen würde, wenn ich ehrlich bin. Ich dachte, die will bestimmt jemanden mit besten Zeugnissen. Aber dann war sie richtig nett zu mir. Sie hat mir ’ne Chance gegeben in ’ner Zeit, wo das nicht allzu viele Leute getan hätten, und das rechne ich ihr hoch an. Spitzenmäßig, mein erster richtiger Job! Meine Bewährungshelferin ist fast ausgeflippt vor Freude. Ich denke, über die Handschuhe hätte sie sich nicht halb so sehr gefreut.
Mein Handy klingelt. Auf dem Display steht »Ali«. Ich sehe auf. Ich kann sie neben dem Ständer mit den handgemalten Grußkarten stehen und mit den Händen fuchteln sehen. Ichgehe ans Telefon. »Sorry, hab nur rasch eine geraucht«, sage ich ihr.
»Kein Problem, aber jetzt beeil dich, sonst fress ich gleich diese Taube da auf.«
Ich sehe sie. Ein ziemlich abgemagertes Vieh, das gerade auf eines der geparkten Autos scheißt. Ein funkelndes Cabrio. Ich weiß nur zu gut, woher Tauben kommen. »Bitte iss sie nicht«, sage ich. »Bin schon unterwegs.«
Ich trete meine Fluppe aus, stehe auf und stoße direkt mit ihm zusammen.
»Haste ’n bisschen Kleingeld übrig, Süße?«, fragt er.
Ich hab zwar noch das Wechselgeld von Alis Zehner in der Tasche, aber das kann ich ihm nicht geben. »Sorry, nein«, sage ich und biete ihm stattdessen ’ne Zigarette an. Er nimmt sich gleich zwei, steckt sich eine in den Mund und die andere hinters Ohr. Sagt nicht mal danke, der Penner. Ich sehe ihn davonschlurfen auf der Suche nach anderen, die er anbetteln kann. Er tut mir leid, eigentlich. Sehe ihn oft hier rumlungern, was irgendwie komisch ist. Obdachlose findet man in dieser Gegend eigentlich eher selten. Ali steht jetzt direkt hinterm Schaufenster und kratzt verzweifelt mit ihren Fingernägeln übers Glas, als ob sie kurz vorm Verhungern wäre. Besser, ich beeil mich.
Er heißt Steve : Was für ’ne geizige alte Schlampe. Klar, hatte die Geld dabei. Hab’s doch in ihrer Tasche klimpern hören. Stattdessen nur zwei erbärmliche Kippen. Und dann dieser miese Blick, den sie mir zugeworfen hat. Mit welchem Recht wirft sie mir diesen miesen Blick zu? Und was zum Teufel ist sie eigentlich? Schwarz? Weiß? Die sollte sich mal entscheiden. Diese Mischlinge sind sowieso die Schlimmsten. Keine Sau will sie. Ah, da kommt schon die Nächste. ’ne junge Weiße diesmal, mit Kinderwagen.
»Haste ’n bisschen Kleingeld übrig, Süße?«
Keine Reaktion. Hast wohl die Schnauze voll davon, ständig von Typen wie mir angelabert zu werden, was? Hey, was glaubst du, wie leid ich es bin, diesen scheiß Spruch immer und immer wieder runterrasseln zu müssen? Ist halt ein verdammter Job wie jeder andere auch. Immer der gleiche Scheiß. Muss man durch, ob man will oder nicht.
Sie hört mich nicht. Der kleine Scheißer im Kinderwagen schreit. Ich frag noch mal, lauter diesmal: »Haste ’n bisschen Kleingeld für mich?« Das Balg schreit sich die Seele aus’m Leib. Wie’s scheint, hat die Tussi gerade ’nen Riesenstress. Und ihre Handtasche steht offen. Jetzt sieh sich das mal einer an! Das Portemonnaie liegt direkt oben. Diese Dumpfbacke hat’s wirklich nicht besser verdient. Also los, an die Arbeit. Und schwupps ist das Ding in meiner Tasche. Jetzt nichts wie weg. Schnell, aber nicht hetzen. Blick nach unten. Weiter bis um die Ecke. Blick über die Schulter. Jemand hinter mir her? Natürlich nicht. Kann das Balg selbst hier noch kreischen hören. Verdammte Scheiße, das war ja einfach.
So, mal nachsehen, was sie so dabeihatte. Jackpot! Ich glaub’s nicht. Was haben wir denn hier? ’nen Hunderter. Und noch ’nen Fünfziger! Was macht ’n Gör wie die bloß mit so viel Geld? Hm, was hat sie denn noch so dabei gehabt? Fotos, Kreditkarten. Die Karten kann ich losschlagen und dabei noch ein bisschen Extra-Geld machen. Okay, Kreditkarten in die Tasche, Geld in die Hand, Portemonnaie in den Abfall. Jetzt kann ich mir endlich ’n paar neue Schuhe kaufen. Meine alten haben’s so langsam hinter sich. Aber erst mal in den Schnapsladen. Normalerweise schmeißen die mich da
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