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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Sanitäter haben mich zum Krankenwagen gerufen. Sie waren der Meinung, dass es wohl besser wäre, sie gleich zur Psychiatrie zu bringen. Und bei dem Zustand, in dem sie sich befand, konnte ich dem nur zustimmen.«
    »Und wie erschien der Sohn?«
    »Er hat nur vor sich hin gestarrt. Er stand natürlich auch unter einem ziemlichen Schock. Willst du einen Kaffee, bevor du gehst? So auf die Schnelle?«
    Roland winkte einladend zum Personalzimmer. Irene Huss spürte einen unwiderstehlichen Sog im Magen, lehnte aber dankend ab. Die Zeit lief zu schnell davon. Sie ging gerade zum Ausgang, als eine sonderbare Gestalt durch die Türen hereinkam. Er war lang und unglaublich mager. Das rattenfarbene Haar war dünn und hing fettig auf den Rücken der Lederjacke hinunter. An den Füßen trug er ein Paar unglaublich schmutzige, ausgetretene Joggingschuhe, die mit seinen Jeans in puncto Dreck in Konkurrenz treten konnten. Die wadenlange Lederjacke hatte einen Schnitt wie aus den Sechzigern und war wahrscheinlich bei Myrorna gekauft oder aus einem Container nach einer Wohnungsräumung gezogen worden. Aber es war nicht seine dreckige, altmodische Kleidung, die Irene Huss zusammenzucken ließ.
    Sein Kopf war so gelb, dass er schon ins Grüne schillerte. Der Kerl hatte eine Gelbsucht von fulminantem Kaliber. Wortlos öffnete der Gelbhäutige seine Jacke. Die Vorderseite seines T-Shirts war blutdurchtränkt. Die reglosen Pupillen, umgeben von schwefelgelbem Weiß, sahen die Inspektorin starr an. Er packte den unteren Rand seines T-Shirts und zog es hoch.
    Da schrie Irene Huss auf: »Roland! Schnell! Roland!«
    Pfleger Roland steckte seinen Kopf aus der Bürotür. Nach mehr als zehn Jahren Arbeit in der Aufnahme hatte er kein Problem, die Situation sofort zu erfassen.
    »Verdammt, das ist eine Darmschlinge, die da aus dem Bauch hängt!«
    Er sprang zurück ins Büro. Sie hörte ihn aufgeregt in die Gegensprechanlage rufen.
    »… Messerstich im Bauch. Das ist die reine Hepatitis und HIV auf zwei Beinen.«
    Wie der Blitz kam er aus der Tür geschossen. Im Laufen zog er sich einen gelben Schutzkittel, Plastikhandschuhe und eine Schutzbrille über. Genau in dem Moment, als er zu dem Mann mit dem Messerstich kam, verdrehte dieser die Augen nach oben, ließ sie ein paar Mal kreisen und sank zu Boden.
    Vom Flur hörte man schnelle Schritte näher kommen. Die Leute aus der Notaufnahme kamen hastig angelaufen, wobei sie gleichzeitig ihre Schutzbekleidung überzogen.
    Die Inspektorin drückte sich vorsichtig seitwärts an der Gestalt vorbei, hinaus in die schwarze Novemberfeuchtigkeit. Es war richtig schön, in die Kälte zu kommen. Der Wind hatte abgeflaut, und der Regen hing nur noch wie ein Eisnebel in der Luft.
     
    Die Psychiatrienotaufnahme war natürlich verschlossen. Irene Huss musste an der Tür klingeln. Ein langer, muskulöser Pfleger in weißer Arbeitskleidung kam und öffnete. Er baute sich in der Türöffnung auf, und seine Schultern füllten diese fast aus. Seine Gesichtszüge waren offen und kraftvoll, und er hatte eine ziemlich dunkle Haut. Vielleicht ein Inder? Mindestens zehn Jahre jünger als sie, aber er war einer der schönsten Männer, die sie je gesehen hatte.
    »Hallo, worum geht es?«
    Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme ohne Akzent.
    »Hallo, ich bin Inspektorin Irene Huss von der Kripo. Ich würde gern mit dem Sohn von Richard von Knecht sprechen.
    Nein, keine Vernehmung. Ich weiß, dass er vor einer Weile mit seiner Mutter hierher gebracht wurde. Wir brauchen nur seine Hilfe. Der Krankenwagen war schon abgefahren, als wir am Unglücksort eintrafen.«
    Irene Huss zeigte ihren Polizeiausweis. Der Pfleger, der laut Namensschild Thomas hieß, nickte lächelnd. Er führte sie hinein in den kleinen, engen Warteraum. Dort wandte er sich wieder zu ihr und sagte mit leiser Stimme: »Wir haben beide erst einmal in einem Behandlungszimmer untergebracht. Setzen Sie sich, dann gehe ich und sage Henrik von Knecht Bescheid, dass Sie mit ihm sprechen wollen.«
    Wieder schenkte er ihr ein wunderbares Lächeln, bevor er ging. Irene sah seinen breiten Rücken den Flur hinunter verschwinden. Er klopfte an eine verschlossene Tür und öffnete sie dann. Aus dem Zimmer waren jammernde Schluchzer zu hören. Der Pfleger brauchte nicht länger als eine Minute. Als er zurückkam, hatte er einen blassen Mann in den Dreißigern bei sich. Auf dem hellbeigen Ulster des Mannes waren Blutflecken zu sehen, vor allem auf den Ärmeln und auf der

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