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Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Titel: Der Ölhändler und die Blumenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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zurück.«
    Meï-Niáng war unterdessen ganz nüchtern geworden. Sie wußte bereits, daß sie durch eine List der Bordellmutter ihre Unschuld verloren hatte, und beklagte ihre Schönheit, die sie zu dem armseligen Schicksal verdammte, eine solche Gewalttat erdulden zu müssen. Sie richtete sich auf, löste die starr verschlungenen Hände und kleidete sich an. Schweigend ging sie zu einer Bambuschaiselongue, welche neben dem Bette stand, wo sie sich, mit dem Gesicht der inneren Wand zugekehrt, hinlegte. Ein Gefühl unsäglich bitteren Schmerzes schnürte ihr die Kehle zu, sie schloß die Augen und leise rannen heiße Tränen über ihre Wangen. Nicht lange, so näherte sich ihr Tjin-Örh wieder, um seine Vertraulichkeiten fortzusetzen. Aber er kam zu nahe und wurde am Kopf und im Gesicht so übel zerkratzt, daß er einige blutende Wundendavontrug. Das war ihm natürlich mehr wie unangenehm: Aus verschiedenen Gründen! Er wartete, bis der Morgen dämmerte, empfahl sich bei der Alten ziemlich kurz und war schon zur Türe hinaus, noch ehe sie ihn zurückhalten konnte. Sein zeitiges Verschwinden war um so auffallender, als es bisher ein sinniger Brauch heischte, daß die jungen Herren, welche eine Mädchenblüte gebrochen hatten, früh morgens beim Aufstehen die Glückwünsche der Bordellmutter entgegennahmen. Desgleichen pflegten sich auch die Besitzerinnen anderer öffentlicher Häuser zur Gratulationscour einzufinden, und spekulieren dabei auf ein Freudenmahl, das gewöhnlich mehrere Tage dauert. Dann wohnen die jungen Helden noch ein bis zwei Monate am Schauplatz ihrer genußreichen Tätigkeit, mindestens aber einen halben Monat bis zwanzig Tage.
    Nur Tjin-Örh war es diesmal eingefallen, sich so früh aus dem Staube zu machen, eine Erscheinung, die bisher noch nie beobachtet worden war. Frau Wang Djiú-Ma konnte sich nicht genug darüber wundern, legte ihre Kleider an und begab sich nach den Gastzimmern. Da sah sie Meï-Niáng allein auf der Chaiselongue liegen,die Augen voller Tränen. Ihre Versuche, sie zu beschwichtigen, indem sie ihr gütlich zuredete, doch aufzustehen, und ohne Ende ihr großes Unrecht eingestand, hatten nur den Erfolg, daß Meï-Niáng sich ganz in Schweigen hüllte und ihren Mund nicht auftat. So blieb der Alten nichts weiter übrig, als sich wieder hinunterzubegeben.
    Meï-Niáng aber weinte den ganzen Tag, rührte weder Tee noch Reis an und war von jetzt ab nicht mehr zu bewegen, aus dem Hause zu gehen, geschweige denn sich vor Gästen sehen zu lassen, indem sie stets Krankheit vorschützte.
    Frau Wang Djiú-Ma, welche sich in begreiflicher Aufregung befand, hätte sie am liebsten durch Mißhandlungen gefügig gemacht. Aber sie fürchtete doch, daß sie in ihrem tugendhaften Trotz den Gehorsam verweigern oder gar überhaupt in ihren Gefühlen gegenüber der Pflegemutter kalt werden könnte. Ihre weicheren Regungen einerseits suchten sie zu bestimmen, Meï-Niáng in Frieden zu lassen, andererseits wollte sie doch mit ihr viel Geld verdienen. Wenn das Mädchen keine Gäste mehr empfangen wollte, könnte sie es doch nicht so lange halten, bis es hundert Jahre alt würde, ohne daß sie ihr irgendwelchenNutzen brächte!! So tappte sie ein paar Tage unsicher in Plänen und Gedanken herum, ohne zu einem Entschlusse zu kommen, der ihr einen Erfolg hätte garantieren können.
    Da erinnerte sie sich plötzlich einer sehr guten Freundin, mit der sie Schwesterschaft 6 geschlossen hatte, einer Frau Liú Sse-Ma, welche häufig zu ihr kam und eine ausgezeichnete Rednerin war. Dazu stand sie mit Meï-Niáng sehr gut.
    »Weshalb sollte ich die nicht mal herholen,« sagte Frau Wang zu sich, »damit sie ein vernünftiges Wort mit dem Mädchen redet? Wenn sie es fertigbrächte, das dumme Ding zu bekehren, so wäre ja ein großartiges Geschäft zu machen! Der Verdienst würde nur so auflodern!«
    Sofort ließ sie durch eine Dienerin Liú Sse-Ma zu sich bitten, und – sie kam. Nachdem man im vorderen Empfangszimmer Platz genommen hatte, beichtete sie der Freundin, was sie bedrückte, worauf sich diese beeilte, zu versichern: »Ich bin ein weiblicher Ssúi-Ho und Lu-Djiá. 7 Wenn ich rede, bekommt sogar ein Lo-Han 8 Sehnsuchts- und Liebesgedanken, und alle Mädchen denken an die Heirat. Auf derlei Sächelchen verstehe ich mich vortrefflich, ganz vortrefflich! Überlasse die Affäre nur mir.«
    Wang Djiú-Ma erwiderte: »Wenn es sein könnte, wie du sagst, wenn du meinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen imstande

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