Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Tjin nicht zu bewegen, wieder Fleischspeisen zu essen oder Wein zu trinken: er begnügte sich wie bishermit vegetarischer Kost. Tags darauf erschienen die Nachbarn, welche Geld gesammelt hatten, und »wogen« ihre Glückwünsche zu dem so freudigen vierfachen Anlaß den Neuvermählten und allen ihren Angehörigen zu. In der Tat, es war ein seltener Zufall des Glücks, daß alle diese vier freudigen Ereignisse zusammentrafen: Vermählung der Liebenden, Wiedervereinigung der jungen Frau mit ihren Eltern, Wiedersehen des Sohnes mit seinem Vater und die Rückkehr der Ahnen!
So saß man denn auch ununterbrochen viele Tage bei Wein und leckerem Mahl zusammen.
Nachdem das Fest vorüber war, wollte der alte Tjin nicht länger verweilen; denn er sehnte sich nach dem Tién-Dschu-Kloster, dem ihm liebgewordenen, vertrauten Flecken Erde, wo er in aller Stille und Zurückgezogenheit, fern von den Menschen leben konnte.
Tjin-Dschung wagte nicht, sich dem Willen des Vaters zu widersetzen; er schenkte also dem Kloster zweihundert Taels, damit an ruhiger Stelle ein Häuschen für ihn allein gebaut würde, und begleitete ihn dorthin. Was er täglich brauchte, schickte er monatlich an den Tempel,und alle zehn Tage machte er sich selber dorthin auf, um nach ihm zu sehen, während seine Frau zu jeder Jahreszeit einmal mitging, um ihm ihre Aufwartung zu machen und sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen.
Der Alte lebte über achtzig Jahre. Eines Tages war er verschieden, aufrecht auf seinem Sitze hockend, wie in tiefe Beschauung versunken, ein rechter Buddhist!
Seine letzte Ruhestatt fand er auf dem Berge, wo er sich so wohlgefühlt.
Das sind alles aber nur gleichgültige Dinge. Ich habe nur noch zu bemerken, daß Tjin-Dschung und seine Frau beide ein hohes Alter erreichten. Zwei Kinder waren ihnen geboren worden, welche beide studierten und es zu hohem Ansehen und großer Berühmtheit brachten.
Und bis zum heutigen Tage hat sich an den Orten des rauschenden Sinnengenusses das geflügelte Wort erhalten, das man im Scherz immer wiederholt, wenn jemand ein besonders hilfsbereites und mitfühlendes Herz gezeigt hat:
Man nennt ihn dann: einen »Tjin« oder einen »Ölhändler«! –
Ein Gedicht ist mein Zeuge:
»Kommt mit dem Frühling die Liebe gezogen,
Duften viel Blümlein in Wiese und Hain.
Schmetterlinge und Bienen sich streiten
Bunt durcheinander in sonnigen Weiten,
Sammeln des Frühlings Genüsse ein.
Trauer bedrückt meine sehnende Seele,
Denk' ich an unseren Frühlingstraum dann:
Nicht ein einziger von uns Reichen
Kann sich an Liebesfreuden vergleichen
Mit dem einfachen Handelsmann.«
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Verlag: ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen
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ISBN: 978-3-95608-300-6
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