Der Oligarch
Ungestörtheit und Mobilität seiner Jacht vor. Im Juni hatte er die nordafrikanische Küste erkundet und den Juli auf Kreuzfahrt durch die griechische Inselwelt verbracht. Auf der letzten Etappe dieses Törns wies er seine Besatzung an, einen kurzen Abstecher zur türkischen Küste zu machen, wo er am Morgen des 9. August zwei weitere Passagiere an Bord nahm: einen stämmigen Mann namens Alexeij Budanow und seine hinreißende junge Frau Sonia. Obwohl das Paar allein reiste, hatte es unglaublich viel Gepäck – solche Mengen, dass eine zweite Kabine als Lagerraum zweckentfremdet werden musste. Mad Maxim schien das nicht zu stören. Seine Freunde hatten ein schlimmes Jahr hinter sich. Und Mad Maxim, eine beispiellos großzügige Seele, hatte sich vorgenommen, ihnen wenigstens einen anständigen Sommerurlaub zu ermöglichen.
Seinen Spitznamen verdankte der Gastgeber nicht seinem Geschäftssinn, sondern seinen Freizeitaktivitäten. Seine Partys waren berüchtigt wilde Feiern, bei denen es selten ohne Prügeleien oder Verhaftungen abging. Tatsächlich war Maxim vor einigen Jahren selbst einmal kurz festgenommen worden, nachdem er zur Unterhaltung der Gäste in seinem Château außerhalb von Paris angeblich eine Flugzeugladung russischer Prostituierter importiert hatte. Die französische Polizei hatte den Fall jedoch nicht weiterverfolgt, nachdem der Milliardär sie davon überzeugt hatte, die Mädchen hätten lediglich zu einer Modern-Dance-Truppe gehört. Diese empörende, aber irgendwie komische Affäre hatte Maxims Ansehen zu Hause keineswegs geschadet. Im Gegenteil, die Moskauer Presse feierte ihn als Musterexemplar des sogenannten Neuen Russen. Mad Maxim hatte Geld und war so frei, es zur Schau zu stellen, selbst wenn er dabei gelegentlich Schwierigkeiten mit der französischen Polizei bekam.
Auch auf See gingen die Partys im alten Stil weiter. Ohne Einschränkungen durch lästige Behörden und sich beschwerende Nachbarn waren sie sogar noch ausgelassener. Dieser Sommer hatte schon viele äußerst ausschweifende Nächte mit sich gebracht, aber mit der Ankunft von Alexeij und Sonia Budanow wurden neue Höhen erklommen. Von dreißig Mann Besatzung umsorgt, verbrachte die Gesellschaft die Fahrt übers Mittelmeer essend, trinkend und bumsend, bis sie schließlich am Nachmittag des 20. August in dem berühmten Vieux Port von Saint-Tropez einlief. Obwohl die Passagiere noch vom Vorabend erschöpft und stark verkatert waren, bestiegen sie sofort die Beiboote der Mischief, um an Land zu fahren – alle außer dem Mann namens Alexeij Budanow, der mit den Händen an der Reling auf dem Achterdeck blieb und nach Saint-Tropez hinüberstarrte, als sei es seine Verbotene Stadt. Monsieur Budanow ahnte allerdings nicht, dass er bereits von einem Mann beobachtet wurde, der am Fuß des Leuchtturms am Ende des Quai d’Estienne d’Orves stand.
Der Mann trug Khakishorts, einen dünnen weißen Pullover, eine Seglermütze und eine Panorama-Sonnenbrille. Vor einigen Monaten hatte M. Budanow in einem Birkenwald außerhalb von Moskau versucht, seine Frau umzubringen. Jetzt plante der Mann, M. Budanow zu ermorden. Aber dafür musste dieser das Schiff verlassen und an Land kommen. Er war zuversichtlich, dass M. Budanow nicht lange an Bord bleiben würde. Der Russe war süchtig nach Geld, Frauen und Saint-Tropez. Die französische Hafenstadt war die Kulisse für seinen Niedergang gewesen, jetzt würde sie die Bühne für seinen Tod sein. Dessen war sich der mittelgroße, mittelschlanke Mann sicher. Er brauchte einfach nur Geduld. Er musste M. Budanow zu sich kommen lassen. Und dann würde er ihn erledigen.
Zum Glück brauchte er nicht allein zu warten. Er hatte acht Mitstreiter, die ihm Gesellschaft leisteten. Unter verschiedenen Namen und verschiedene Sprachen sprechend hatten sie den größten Teil des Sommers auf einer Europa-Tour verbracht, die ganz anders als übliche Reisen dieser Art gewesen war. Dies würde ihr letztes Etappenziel sein. Danach würde alles vorbei sein.
Sie lebten unter einem Dach zusammen – in einer Villa in den Hügeln über der Stadt. Diese hatte blassblaue Fensterläden und einen großen Swimmingpool mit Blick auf das ferne Meer. Aber die Hausbewohner benutzten den Pool selten, nur häufig genug, um die Nachbarn zu täuschen. Tatsächlich verbrachten sie die meiste Zeit auf den Straßen von Saint-Tropez, um zu beobachten, zu beschatten, zu lauschen. Ein Freund bei der CIA erleichterte ihnen die Arbeit,
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