Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Titel: Der Omega-Punkt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
Vom Netzwerk:
Zopf folgen, wollte er seine akademische Zukunft nicht gefährden.
    Oder der Sturz die Treppe hinunter, noch lange hin, Stunden vielleicht, bis der Privatdetektiv Arbogast rückwärts die Treppe hinunterfliegt, mit übel zerschlitztem Gesicht, aufgerissenen Augen, fuchtelnden Armen, eine Szene, an die er sich von einem früheren Zeitpunkt in der Woche erinnerte, oder war es erst gestern gewesen, unmöglich, mit den Tagen und Filmsequenzen nicht durcheinanderzukommen. Arbogast. Der Name tief verwurzelt in irgendeiner dunklen Ecke der linken Hirnhälfte. Norman Bates und der Detektiv Arbogast. Das waren die Namen, die er über die Jahre, seit er in dem ursprünglichen Film gewesen war, nicht vergessen hatte. Arbogast auf der Treppe, ein endloser Sturz.
    Vierundzwanzig Stunden. Das Museum schloss an den meisten Tagen um halb sechs. Er wünschte sich, das Museum möge schließen, nicht aber das Kabinett. Er wollte die Filmvorführung von Anfang bis Ende sehen, vierundzwanzig ununterbrochene Stunden lang. Und niemand dürfte hereinkommen, wenn es einmal angefangen hatte.
    Was er sah, war in gewisser Weise Geschichte, ein überall bekannter Film. Er spielte mit dem Gedanken, das Kabinett sei eine geschützte Stätte, das Landhaus oder unbekannte Grab eines toten Dichters, eine Kapelle aus dem Mittelalter. Bitte sehr, das Bates-Motel. Aber das sehen die Leute nicht. Sie sehen zerhackte Bewegung, Einzelaufnahmen an der Grenze zu betäubtem Leben. Er begreift, was sie sehen. Sie sehen einen hirntoten Raum in sechs leuchtenden Stockwerken, die randvoll mit Kunst sind. Ihnen ist der ursprüngliche Film wichtig, eine gemeinsame Erfahrung, die man zu Hause vorm Fernsehbildschirm erleben kann, den Abwasch in der Spüle.
    Die Erschöpfung, die er spürte, saß in seinen Beinen, Stunden und Tage im Stehen, das Gewicht seines Körpers im Stehen. Vierundzwanzig Stunden. Wer würde das überleben, körperlich und anderweitig? Wäre er in der Lage, nach draußen auf die Straße zu gehen, nachdem er einen Tag und eine Nacht ununterbrochen auf dieser radikal veränderten Zeitschiene gelebt hätte? Im Dunkeln stehen, auf eine Leinwand schauen. Jetzt schauen, wie das Wasser vor ihrem Gesicht tanzt, während sie an der gefliesten Wand hinunterrutscht, mit der Hand nach dem Duschvorhang greifend, um sich festzuhalten, um die Bewegung ihres Körpers hin zu seinem letzten Atemzug aufzuhalten.
    Wie das Wasser aus dem Duschkopf fällt, eine Art Flattern darin, die Illusion eines Schwankens oder Flackerns.
    Würde er nach draußen auf die Straße gehen und nicht mehr wissen, wer er war und wo er wohnte, nach vierundzwanzig Stunden nonstop? Oder selbst bei den derzeitigen Öffnungszeiten, wenn die Installation noch länger liefe und er weiterhin käme, fünf, sechs, sieben Stunden am Tag, Woche um Woche, würde er noch in der Welt leben können? Wollte er das? Wo war sie, die Welt?
    Er zählte sechs Ringe. Die Ringe, die sich auf der Vorhangstange drehen, wenn sie den Vorhang mit sich hinabzieht. Das Messer, die Stille, die rotierenden Ringe.
    Es verlangt konzentrierte Aufmerksamkeit, um zu sehen, was vor einem geschieht. Es verlangt Arbeit, innige Anstrengung, um zu sehen, was man anschaut. Das faszinierte ihn, welche Tiefe durch die Verlangsamung der Bewegung möglich wurde, welche Dinge zu sehen waren und welche Tiefe der Dinge bei den oberflächlichen Sehgewohnheiten so leicht zu übersehen war.
    Leute, die ab und zu Schatten auf die Leinwand warfen.
    Er machte sich Gedanken über das Verhältnis der Dinge zueinander. Dieser Film hatte dasselbe Verhältnis zu dem ursprünglichen Film wie der ursprüngliche Film zu realer, gelebter Erfahrung. Das hier war die Abweichung von der Abweichung. Der ursprüngliche Film war Fiktion, das hier war real.
    Bedeutungslos, dachte er, aber vielleicht auch nicht.
    Der Tag sickerte weg, weniger Leute kamen herein, dann fast keine mehr. Er wollte an keinem anderen Ort sein als hier, dunkel an dieser Wand.
    Wie ein Raum hinter einer Figur auf Schienen zu gleiten scheint. Die Figur bewegt sich, aber es ist der Raum, der sich zu bewegen scheint. Er fand Szenen interessanter, wenn darin nur eine Figur zu sehen war oder, besser vielleicht, gar keine.
    Die leere Treppe, von oben gesehen. Spannung will sich aufbauen, aber Stille und Stillhalten überdauern sie.
    Allmählich wurde ihm klar, nach all der Zeit, dass er hier gestanden und auf etwas gewartet hatte. Auf was? Bis jetzt hatte es außerhalb seines bewussten

Weitere Kostenlose Bücher