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Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Titel: Der Omega-Punkt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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war ein Mann namens Aleksandr Sokurow. Ihr Name ist Jim Finley.«
    Ich hätte gelacht, hätte er den Satz nicht mit einem süffisanten Grinsen gebracht. Elster konnte Russisch und sprach den Namen des Regisseurs mit erdiger Nuance aus. Dadurch klang seine Bemerkung besonders selbstzufrieden. Ich hätte das Naheliegende anführen können, dass ich nicht vorhatte, große Menschenmengen in strukturierter Bewegung zu drehen. Aber ich ließ dem Scherz seine volle Lebensdauer. Elster war keiner, der Platz für selbst die freundlichste Korrektur ließe.
    Er saß auf der Terrasse, ein großer Mann in einer museumsreifen zerknitterten Baumwollhose. Er lief tagsüber meistens mit bloßem Oberkörper herum, auch im Schatten mit Sunblocker eingeschmiert, und sein silbriges Haar war wie immer zu einem kurzen Pferdeschwanz geflochten.
    »Tag zehn«, teilte ich ihm mit.
    Am Morgen trotzte er der Sonne. Er musste seine Vitamin-D-Versorgung erhöhen und streckte die Arme zum Licht, eine Petition an die Götter, sagte er, auch wenn es zur schleichenden Entstehung von anomalem Gewebe führte.
    »Es ist gesünder, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu unterlassen, als sich anzupassen. Ich nehme an, das wissen Sie«, sagte er.
    Sein Gesicht war lang und kräftig, an den Seiten der Kiefer hing es ein wenig. Seine Nase war groß und pockennarbig, die Augen gräulichgrün vielleicht, dazu aufflammende Augenbrauen. Der Zopf hätte unpassend wirken müssen, tat es aber nicht. Die Strähnen waren nicht abschnittweise eingeflochten, es war nur ein breiter Zopf am Hinterkopf, was ihm eine kulturelle Identität verlieh, den Hauch von etwas Besonderem. Der Intellektuelle als Stammesältester.
    »Ist das hier Ihr Exil? Sind Sie hier im Exil?«
    »Wolfowitz ist zur Weltbank gegangen. Das war ein Exil«, sagte er. »Das hier ist etwas anderes, ein spiritueller Rückzug. Das Haus gehörte früher jemandem aus der Familie meiner ersten Frau. Ich bin jahrelang immer mal wieder hergekommen. Zum Schreiben, zum Denken. An anderen Orten, an allen anderen Orten beginnt mein Tag im Kampf, jeder Schritt, den ich in der Stadt auf der Straße tue, ist Kampf, andere Leute sind Kampf. Anders als hier.«
    »Aber diesmal wird nicht geschrieben.«
    »Ich hatte Angebote für ein Buch. Porträt der Kommandozentrale aus der Sicht eines befugten Außenseiters. Aber ich will kein Buch machen, egal welcher Art.«
    »Sie wollen hier sitzen.«
    »Das Haus gehört jetzt mir und verrottet langsam, aber bitte. Die Zeit verlangsamt sich, wenn ich hier bin. Die Zeit wird blind. Ich spüre die Landschaft mehr, als dass ich sie sehe. Ich weiß nie, welcher Tag es ist. Ich weiß nie, ob gerade eine Minute vergangen ist oder eine Stunde. Ich werde nicht alt hier.«
    »Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten.«
    »Sie brauchen eine Antwort. Meinen Sie das?«
    »Ich brauche eine Antwort.«
    »Sie haben ein Leben dort.«
    »Ein Leben. Das ist vielleicht ein zu starkes Wort.«
    Er saß da, Kopf zurück, Augen zu, Gesicht zur Sonne.
    »Sie sind nicht verheiratet, hab ich recht?«
    »Getrennt. Wir haben uns getrennt«, sagte ich.
    »Getrennt. Wie vertraut das klingt. Haben Sie einen Job, etwas, das Sie zwischen Ihren Projekten machen?«
    Vielleicht versuchte er, das Wort »Projekte« nicht mit tödlicher Ironie zu tränken.
    »Sporadische Jobs. In der Produktion, im Schneideraum.«
    Jetzt sah er mich an. Vermutlich fragte er sich, wer ich war.
    »Habe ich Sie schon mal gefragt, warum Sie so dürr sind? Sie essen. Sie schaufeln sich genau wie ich das Essen rein.«
    »Ich esse wohl. Ich esse schon. Aber die Energie, die Nährstoffe, alles wird von dem Film aufgesogen«, erklärte ich ihm. »Der Körper kriegt nichts.«
    Er schloss die Augen wieder, und ich beobachtete, wie Schweiß und Sonnenmilch langsam über seine Stirn rannen. Ich wartete darauf, dass er mich nach Filmarbeiten fragte, die ich allein gemacht hatte, die Frage, die ich gehofft hatte, nicht zu hören. Aber er hatte das Interesse an dem Gespräch verloren, oder er hatte einfach die Art wimmelndes Ego, das sich um derlei Details zu kümmern vergisst. Ob er Ja oder Nein sagte, würde nicht von meinen Qualifikationen abhängen, sondern davon, ob und wann er Lust dazu hatte. Ich ging hinein, um auf meinem Laptop nach EMails zu schauen, ich brauchte den Kontakt nach draußen, fühlte mich aber korrupt dabei, als würde ich ein ungeschriebenes Gesetz der kreativen Zurückgezogenheit brechen.
    Er las meistens Lyrik, las seine Jugend

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