Der Orden
neue erbaute, gut erhaltene und in leuchtenden Farben gestrichene Stadthäuser, deren rote Ziegeldächer im Sonnenlicht glänzten. Vielleicht gehörten sie negotiatores – Händlern und Vermittlern. Die belebten Straßen in der Nähe des Forums waren voller Männer und Frauen in römischer Kleidung, mit Tuniken und Umhängen, und Regina konnte nicht anders, als diese Reminiszenzen an ihre eigene verschwundene Vergangenheit anzustarren. Die meisten trugen jedoch die Hosen und Wollumhänge der Celtae oder die wallenden Haare und langen Schnurrbärte der Germanen.
Während des Niedergangs der kaiserlichen Herrschaft in der restlichen Diözese hatte sich Londinium in sich selbst zurückgezogen und sich wie ein Igel hinter seinen Verteidigungsmauern verschanzt. Bisher hatte es die sächsische Katastrophe überstanden, die den Rest des Landes ereilt hatte. Selbst jetzt ließ der Handel mit dem Festland noch Reichtum durch seine Häfen strömen; selbst jetzt konnte man hier noch ein Vermögen machen. Auch wenn Londinium schon bessere Tage gesehen haben mochte, es war immer noch lebendig, wohlhabend, geschäftig und mächtig – eine Arena für die Ehrgeizigen. Und deshalb war Artorius hier.
Sie waren nach Londinium gekommen, weil Artorius sich trotz Reginas subtiler Versuche, ihn zu bremsen, mit neuen, größeren Plänen trug. Er schien entschlossen zu sein, einen Angriff auf Gallien zu unternehmen und dann vielleicht gegen Rom selbst zu marschieren, um wie Constantius und so viele andere britannische Führer vor ihm nach dem Purpur zu greifen.
Es war ein hoch gestecktes Ziel. Britannien war keineswegs vereinigt, die Sachsen waren keineswegs bezwungen. Und trotz all seiner Erfolge verfügte Artorius nur über einen Bruchteil der Truppen, die er für ein solches Abenteuer benötigte, und würde sich darum auf Verbündete stützen müssen. Angespornt von einem Dutzend Siege über die Sachsen, war er jedoch fest entschlossen, das Wagnis einzugehen. Und darum kam er nach Londinium, zu einer Ratsversammlung britannischer Stammesführer, Magistrate, Könige und Kriegsherren, um festzustellen, ob er ein solches Bündnis schmieden konnte. Regina war beunruhigt. Ihrer Ansicht nach hätte es für jedermann offensichtlich sein müssen, dass Constantius’ Abzug britannischer Truppen zu einer Katastrophe geführt hatte und alles andere als ein nachahmenswertes Abenteuer war. Dennoch war sie hier, vorgeblich, um Artorius zu unterstützen, in Wahrheit jedoch wachsam und unsicher, was ihre eigene Zukunft betraf.
Der Trupp erreichte den Fluss nahe bei einem anderen Wehrturm in der östlichen Ecke der Mauer. Londinium hatte sich einst sowohl über das nördliche als auch südliche Ufer dieses gewaltigen, nach Osten strömenden Flusses ausgebreitet. In späteren Zeiten war die Siedlung auf der Südseite jedoch verfallen. Heute waren im Süden des Flusses nur noch Bauernhöfe zu sehen, niedrige Gebäude, umherstreifendes Vieh und Rauchfahnen. Aber noch immer überspannte eine Brücke den Fluss von Norden nach Süden. Sie bot einen eindrucksvollen Anblick: eine Reihe ausladender, halbkreisförmiger Bögen, die Fahrbahn so weit oben, dass seetüchtige Schiffe darunter hindurchfahren konnten.
Brica starrte die Brücke mit offenem Mund an. »Lud, Lud…«, murmelte sie.
Regina berührte sie an der Schulter. »Alles in Ordnung mit dir?«
Brica drehte sich um und sah sie groß an. »Es ist die Brücke. Als wäre der Fluss, der mächtige Fluss, selbst gezähmt worden. Aber das ist das Dun von Lud, dem Gott des Wassers…«
»Die Römer haben die Stadt Augusta genannt«, sagte Regina trocken. »Der Name hat sich nicht durchgesetzt. Aber wenn schon in einem bloßen Namen solche Legenden stecken, dann war es vielleicht klug von ihnen, es zu versuchen.«
Sie war beunruhigt. War die Seele ihrer Tochter wirklich so primitiv, dass der Anblick einer bloßen Brücke sie in Erstaunen versetzte? Das wollte sie nicht. Immerhin erinnerte Regina sich noch an die Villen und Städte von damals. Was würde als Nächstes kommen? Würde Bricas Tochter sich vor Gewittern ducken und den Zorn der Himmelsgötter fürchten?
Ich muss sie von diesem Ort, dem Dunon, wegbringen, dachte Regina mit neuer Entschlossenheit. Und ich muss sie vor Galba und seinem Geist retten, diesem Pfuhl der Dummheit und des Aberglaubens.
Artorius hatte dafür gesorgt, dass ihm, Regina, ihrer Tochter und anderen aus seinem Trupp ein Stadthaus zur Verfügung gestellt wurde. Das Haus
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