Der Orden
gehörte einem besonders reichen negotiator namens Ceawlin. Dieser, ein ungeheuer dicker Mann von ungefähr fünfzig Jahren, stammte aus Wales, sprach jedoch fließend Lateinisch und Griechisch. Seit er an die Spitze der gegenwärtigen Gesellschaft Londiniums aufgestiegen war, schien er entschlossen, seine geschäftlichen Interessen aufs Festland auszudehnen, und war einer von Artorius’ wichtigsten Förderern.
Aber er bereitete Regina Sorge. Er tat sie eindeutig als unwichtig ab, nur eine Frau. In ihrer Gegenwart ließ er die Maske des lächelnden Wohltäters fallen, die er vor Artorius aufsetzte – und Regina sah die Gier und die Berechnung in seinen im Fett versunkenen Augen. Ihm ging es nur um seinen Reichtum und seine Macht, das erkannte sie sofort, und Artorius, dieser barbarische Soldatenkönig, war ihm lediglich ein Mittel zum Zweck.
Während Regina an Artorius’ Ratsversammlungen teilnehmen durfte, sollte Brica in Ceawlins Haushalt bleiben. Aber sie war unglücklich – und verabscheute Ceawlin auf Anhieb. »Sie lachen über mich«, beschwerte sie sich. »Diese hübschen Kinder und ihre fade Mutter. Sie lachen über meine Sprechweise, meine Kleidung und meine Frisur. Aber ich wette, keiner von ihnen könnte einem Huhn den Hals umdrehen oder ein Schwein abstechen. Und dieser Ceawlin bereitet mir eine Gänsehaut; er stinkt nach Pisse, und er kommt einem immer so nah… «
Früher einmal war sie selbst genauso gewesen wie Ceawlins verwöhnte Töchter, dachte Regina, und hätte genauso über ein Mädchen aus einer alten Hügelfestung gelacht. Sie nahm ihre kräftige, braun gebrannte Tochter in den Arm. »Ich bin stolz auf dich«, sagte sie. »Und außerdem ist es ja nicht für lange.« Dessen war sie sicher – sie gelangte allmählich zu der Überzeugung, dass ihr Spiel mit Artorius in die Schlussphase eintrat, obwohl sie noch nicht wusste, wie es ausgehen würde.
Gleichzeitig stand sie vor einem weiteren Problem.
Sowohl Brica als auch Galba wussten inzwischen, dass Regina ihrer Verbindung ablehnend gegenüberstand. Regina war so mächtig, dass Galba und seine Familie es nicht wagten, ihr die Stirn zu bieten, und Brica selbst hatte bisher noch immer vor offener Rebellion zurückgeschreckt. Aber Regina wusste, dass es nicht ewig so weitergehen würde. So wie Artorius’ Ehrgeiz maßlos war, wurde Bricas Frustration, während die Jahre stetig ins Land gingen, allmählich übermächtig.
Also steuerten die Dinge in beiden Bereichen von Reginas Leben auf eine Krise zu. Sie hatte keine klare Vorstellung, wie sie mit diesen beiden Problemen fertig werden würde – noch nicht. Aber die Reise nach Londinium war bestimmt nützlich. Sie gab ihr die Gelegenheit zu prüfen, wie ernst es Artorius mit seinen Bestrebungen war – und sie schenkte ihr ein wenig Zeit, indem sie Brica für eine Weile von Galba fern hielt.
Und vielleicht würden sich in Britanniens größter Stadt andere Möglichkeiten eröffnen. Vor dem Aufbruch hatte sie ohne bestimmte Absicht die drei matres, ihr stärkstes Familiensymbol, sorgfältig in ihr weichstes Tuch gewickelt und in ihrem Gepäck verstaut.
Artorius hielt seinen Kriegsrat im Empfangszimmer von Ceawlins imposantestem Haus ab. Es war ein großer, gut ausgestatteter Raum, aber er war überfüllt, denn er beherbergte nicht weniger als zehn Duodezfürsten und ihre Berater.
Ein paar dieser ehrgeizigen Kriegsherren lernte Regina rasch kennen. Abgesehen von Ceawlin schienen ihr zwei von Bedeutung zu sein.
Einer war ein sehr junger Mann, kaum zwanzig, wie es schien, der sich Ambrosius Aurelianus nannte. Mit seinem glänzenden Brustharnisch war er ein Klotz aus Muskeln und Entschlossenheit, und Regina hatte den Eindruck, dass er Artorius überallhin folgen und – nach Artorius’ unvermeidlichem Tod – vielleicht Chalybs an sich nehmen und das mächtige Schwert selbst gegen die sächsischen Horden schwingen würde.
Der andere war ein dünner, ernster Mann namens Arvandus. Er war eigentlich ein Amtsträger des Römischen Reiches, ein Präfekt in der von Unruhen erschütterten Provinz Gallien. Aber er strebte unzweifelhaft danach, nicht im Namen des Kaisers, sondern in seinem eigenen zu regieren. Was Regina Sorgen machte, war, dass er schon einen Herrscher, nämlich den Kaiser, verraten hatte und folglich kaum Gewissensbisse haben würde, einen weiteren zu hintergehen.
Artorius schien in seinem Eifer und seiner Leidenschaft nicht wahrzunehmen, dass sich solch komplexe Dinge
Weitere Kostenlose Bücher