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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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unter seinen nominellen Anhängern zusammenbrauen könnten, dass diese Männer anders waren als die loyalen Soldaten, mit denen er Seite an Seite gekämpft hatte, dass sie stattdessen Männer mit eigenen Zielen und Ambitionen, ja sogar eigenen Träumen waren. In Artorius’ Blindheit glaubte Regina sein Schicksal deutlich vorgezeichnet zu sehen.
    Ausführlich erörterten sie die taktische Lage im ganzen Land. Es gab nur bruchstückhafte Informationen, und die Situation war kompliziert. Zwar einte die Sachsen ihre Feindschaft gegen die Britannier und das römische Erbe, aber sie waren keine politisch koordinierte Streitmacht, und ihre vereinzelten Vorstöße wurden ausschließlich von der Gelegenheit diktiert. Die Reaktion der Britannier war allerdings ebenso unvollkommen.
    »Eins steht jedoch fest«, sagte Artorius grimmig. »Östlich von Londinium gibt es gegenwärtig keinen Grashalm, der nicht in der Hand der Sachsen wäre. Und uns bleibt nicht mehr viel Zeit…«
    Er schilderte ihnen, wie die Sachsen die Stadt Calleva Atrebatum zerstört hatten. Sie hatten nicht nur die Bevölkerung abgeschlachtet oder vertrieben, nicht nur die verbliebenen Häuser geplündert und niedergebrannt, sie hatten auch große Mauersteine in die Brunnen geworfen, sodass der Ort niemals wieder besiedelt werden konnte. Es war eine systematische, vorsätzliche Auslöschung gewesen.
    »Durch solche Taten löschen sie nicht nur unsere Städte aus, sondern sie berauben uns auch unserer Willenskraft«, sagte Artorius. »Wir sind den sächsischen Siedlern zahlenmäßig noch immer bei weitem überlegen. Aber in manchen Teilen des Landes hat man das Gefühl, die Sachsen hätten bereits gesiegt.
    Während die alte Elite nach Armorica flieht, habe ich Bauern gesehen, die ihr Land kampflos den Sachsen überließen. Aber wenn sie denken, dass die Sachsen sie mit offenen Armen aufnehmen, werden sie eine Überraschung erleben. Uns Britannier wollen die Sachsen nämlich nicht! O nein. Die Sachsen wollen nur unser Land. Und wenn wir ihnen jetzt nicht Widerstand leisten, dann werden sie uns, auch wenn sie dafür Jahrzehnte brauchen, am Ende töten oder hinauswerfen, Stück für Stück, bis wir aus dem Land verbannt sind, das einmal uns gehört hat; unsere einzige Zuflucht werden dann die unwirtlichen Gebiete im Westen und Norden sein. Und das Schlimmste ist, niemand wird überhaupt merken, dass es geschieht.«
    Arvandus meldete sich zu Wort. Sein Akzent war stark, seine Stimme ölig. »Vielleicht sollten wir die Antwort des magister militium auf unser Gesuch abwarten.«
    Regina hatte eine Kopie dieses Briefes an den Oberbefehlshaber des römischen Militärs in Gallien gesehen. »An die drei Konsuln, das Wehklagen der Britannier… Die Barbaren treiben uns ins Meer, und das Meer treibt uns zu den Barbaren zurück. Zwischen diesen beiden Todesarten können wir wählen: Wir werden entweder niedergemacht oder ertränkt…« Es hatte ihr Hoffnung gemacht, dass man ein solches Sendschreiben an die römischen Machthaber geschickt hatte, selbst wenn es in solch grotesker Form abgefasst war.
    »Wenn der magister antworten wollte«, sagte Ceawlin, »dann hätte er es mittlerweile getan. Von Rom wird keine Hilfe kommen. Außerdem sind die Römer zu sehr mit dem Kampf gegen die Hunnen beschäftigt.«
    »Dann sollten wir es noch einmal versuchen«, sagte Regina.
    Alle Köpfe drehten sich zu ihr. Sie war die einzige Frau im Raum, abgesehen von den Dienerinnen.
    »Wir werden die Barbaren nicht besiegen, indem wir wie Barbaren handeln«, fuhr sie fort. »Wir müssen dafür sorgen, dass unser Bündnis mit der zivilisierten Welt bestehen bleibt. Nur so wird irgendwann wieder Normalität einkehren.«
    Ceawlin lachte. »Normalität! Was ist denn normal, Frau? Die Zeit des Constantius liegt nun schon ein Menschenalter zurück.
    Überall in Britannien gibt es heute Kinder – Erwachsene –, die noch nie ein Wort Latein gehört haben.«
    »Das Imperium hat tausend Jahre existiert«, erwiderte sie ruhig. »Da können wir tausend Tage auf die Antwort des magister warten.«
    Artorius schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich werde zu keinem magister kriechen, weder in Gallien noch in Rom oder sonst wo. Das hier ist unsere Insel. Wir werden sie verteidigen, und wir werden sie neu aufbauen – nicht auf die römische Art, nicht auf die sächsische Art, sondern auf unsere Art.«
    Schweigen trat ein; keiner von ihnen schien recht zu wissen, wie er auf den Einwurf reagieren

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