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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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um.
    »Ich werde jeden Tag dort sein«, rief er. »Um drei, jeden Tag. Komm, wann du kannst.«
    Als sie die Piazza le Flaminio außerhalb des Parks erreichten, wartete ein Wagen auf sie.
    Pina verfrachtete Lucia hinein. »Was hast du dir dabei gedacht, Lucia? Er ist ein contadino. Was wolltest du von ihm?«
    »Irgendwas. Nichts«, sagte Lucia trotzig. »Ich wollte einfach nur mit ihm reden. Soll ich nicht etwas über Außenstehende lernen?«
    Pina beugte sich zu ihr. »Du sollst sie jedenfalls nicht in dein Höschen einladen«, sagte sie ernst.
    »Aber ich habe doch gar nicht – ich wollte nicht…«
    »Was wolltest du dann?«
    »Ich weiß nicht.« Lucia begrub ihr Gesicht in den Händen. »O Pina, ich bin verwirrt. Verpetz mich nicht, Pina. Verpetz mich nicht!«

 
22
     
     
    In den ersten Tagen des nächsten Frühlings reiste Artorius nach Londinium. Er bat Regina, mit ihm zu kommen. Sie bestand ihrerseits darauf, dass Brica sie begleitete.
    Anfangs wollte Brica nicht. Sie wagte es sogar, sich rundweg zu weigern, denn mittlerweile war nicht mehr zu übersehen, dass Regina ihre Liaison mit Galba ablehnte. Mit Geduld und sanftem Zwang brachte Regina sie dazu, ihre Meinung zu ändern. Aber die Reise nach Osten auf den alten Straßen, während der die beiden Seite an Seite in einem offenen Wagen hinter Artorius und seinem Trupp herfuhren, verlief in mürrischem Schweigen.
     
    Der Trupp hielt auf ein Tor nahe bei einem Wehrturm in der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer zu. Die Mauer war noch heil, obgleich man sie hier und dort hastig mit Steinblöcken geflickt hatte, die zweifellos von leer stehenden Gebäuden stammten. Der Wehrturm selbst war bemannt, allerdings nicht mit Soldaten, die dem Kaiser unterstanden. Erstaunlicherweise waren viele der Soldaten sächsische Söldner. Artorius zufolge hatten sächsische Überläufer aus den in Londinium stationierten Truppen erheblich dazu beigetragen, die Unruhe und Revolte in der weiteren sächsischen Bevölkerung anzufachen, nachdem Vortigern ihnen erlaubt hatte, im Osten Fuß zu fassen.
    Nach der Entrichtung eines nominellen Zolls durchquerte der Trupp das Tor, und sie bekamen zum ersten Mal die eigentliche Stadt zu sehen.
    Im Zentrum nördlich des Hafengebiets am Fluss wimmelte es von monumentalen Bauten, die oftmals selbst Verulamiums eindrucksvollste Gebäude in den Schatten gestellt hätten. Es gab Tempel, Badehäuser, Triumphbögen und riesige Kupfer- und Bronzestatuen auf Säulen. Wie es hieß, war das Zentrum früher einmal von einer Basilika beherrscht worden, die größer gewesen war als jedes dieser Relikte, aber sie war schon seit langem zerstört. Reginas Blick wurde jedoch von seltsameren Bauwerken angezogen, wie es sie in Verulamium überhaupt nicht gegeben hatte: Wohnblöcke, manche drei oder vier Stockwerke hoch, in denen die weniger betuchten Einwohner der Stadt einst jeweils einen kleinen, abgeteilten Raum bewohnt hatten. Sie wirkten auf eigentümliche Weise wie an den Hängen Londiniums gestrandete Schiffe.
    Brica, die auf einem Hügelhof aufgewachsen war und das Dunon von Caml schon für eine Metropole hielt, verschlug es die Sprache; sie schaute sich alles mit großen Augen an.
    Auf ihrem Weg durch die Stadt sah Regina jedoch, dass die meisten öffentlichen Gebäude Spuren der Vernachlässigung aufwiesen. Das Amphitheater, eine Schüssel voller Schutt, wurde als Markt genutzt. Ein Badehaus war systematisch abgerissen und seiner Steine beraubt worden: Ein Kind in einem farblosen Kittel kletterte über die Trümmer, und Regina fragte sich, ob es auch nur die geringste Ahnung hatte, wofür diese seltsame, fremdartige Ruine einmal gedient hatte. Die meisten großen Wohnblöcke standen ebenfalls leer. Augenscheinlich lebte nur noch ein Bruchteil der früheren Einwohner in der Stadt, und sie hatten es nicht mehr nötig, sich in die kleinen Kammern zu zwängen. Außerhalb des Zentrums wirkte die Stadt geradezu entvölkert. Die Häuser waren eingestürzt oder zerstört worden, und große Gebiete – selbst innerhalb der Stadtmauern – hatten sich in Weideland verwandelt.
    Trotzdem hörte Regina das Gemurmel von Artorius’ Männern, als sie den Blick zu den riesigen Gebäuden hoben und dann auf die zusammengeduckten Bauern hinunterschauten, die nun in ihrem Schatten ihr Vieh züchteten. Die Stadt sei das Werk von Riesen, meinten sie, die vor hundert Generationen verschwunden sein mussten.
    Und es gab hier immer noch Wohlstand. Inmitten der Ruinen standen

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