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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Berührung, sogar Duft… Die Gerüche, die ganze Küsserei, die du beschreibst. ›Einander schmecken‹, hast du gesagt.«
    »Das ist doch lächerlich.«
    »So? Weberameisen kommunizieren mit Pheromonen, George. Und chemische Kommunikation ist ein sehr altes System. Einzeller müssen sich auf simple chemische Botschaften verlassen, die ihnen etwas über ihre Umgebung verraten, denn nur Vielzeller – wie Ameisen oder Menschen – sind komplex genug, um Zellhaufen zu Augen und Ohren zu organisieren… Ich gebe zu, ich spekuliere da nur.
    Aber wenn du alles zusammensetzt, George, hast du ein klassisches Rezept für ein emergentes System: lokale Entscheidungen von unwissenden Akteuren, die auf lokale Stimuli reagieren, und starke Rückkopplungsmechanismen. Und obendrein noch ein genetisches Mandat für Eusozialität. Alles in diesen drei Leitsätzen.«
    »Na schön. Und was ist dann passiert? Wie sind wir von dort nach hier gekommen – von Regina zu Lucia?«
    Er seufzte und massierte sich die Schläfen. »Hör mal, George, wenn du mir bisher nicht geglaubt hast, wirst du mir auch nicht glauben, was als Nächstes kommt. Wenn du in der Wildnis – bei den Ameisen oder Mullen – erst einmal einen solchen Fortpflanzungsvorteil von Müttern über Töchter hast, so geringfügig er auch sein mag, bekommst du ein positives Feedback.
    Die Menschen im Orden haben angefangen, sich zu verändern. Sich anzupassen. Wenn die Töchter keine Chance bekommen, sich fortzupflanzen, ist es besser, wenn ihre Körper gar nicht erst zur Reife gelangen. Wozu all diese Ressourcen für eine sinnlose Pubertät verschwenden? Natürlich behält man das Potenzial, zur Frau zu reifen, falls die Königin tot umfällt und man eine Chance hat, sie zu ersetzen. Währenddessen zahlt es sich für die Mütter aus, über einen möglichst langen Zeitraum möglichst viele Kinder herauszupumpen…«
    Ich verspürte eine tiefe, Übelkeit erregende Furcht, als seine Logik mich Schritt für Schritt in den Bann schlug. »Also bekommen sie in der Krypta alle drei Monate Kinder. Und sie bleiben noch für Jahrzehnte über die Menopause eines Außenstehenden hinaus fruchtbar.«
    »Schlichte Darwinsche Logik. Es lohnt sich.«
    »Was ist mit den Männern?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht haben sie die männlichen Säuglinge anfangs einfach sterben lassen. Aber wenn genug Zeit ist, tut auch hier die Selektion ihr Werk; wenn man seine Gene nur durch weibliche Kinder weitergeben kann, bekommt man mehr Töchter. Natürlich braucht man immer noch Väter. Also holen sie sich Männer von außen – wilde DNA, damit der Genpool gesund bleibt –, aber vorzugsweise jemanden aus dem weiteren Familienkreis draußen. Und ein Kandidat muss seine Eignung unter Beweis stellen.«
    »Eignung?« In gewisser Weise passte das zu Rosas Erklärungen, weshalb ich ein passender Hengst wäre. »Vielleicht müssen die Männer ihre Intelligenz beweisen, indem sie sich mit Gewalt Zutritt verschaffen.«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht. ›Eignung‹ bedeutet nicht unbedingt ›Stärke‹. Es bedeutet nur, dass man zur Umgebung passt. Was ihr – du oder Giuliano – mehr als sonst braucht, ist vielleicht eine gewisse Gefügigkeit. Weil eure Kinder sich nämlich in das Leben in der Krypta fügen müssten. Eins steht fest: Männer sind unverzichtbar, wenn man Kinder produzieren will, also muss man sie dulden, aber für den Orden sind sie nur Randfiguren, denn er ist auf Beziehungen unter Frauen aufgebaut. Männer sind reine Spermamaschinen.«
    »Und was ist mit Lucias zweiter Schwangerschaft? Sie hat gesagt, sie hätte nur ein einziges Mal mit diesem Giuliano geschlafen.«
    Er zögerte. »Was das betrifft, lasse ich einen weiteren Testballon steigen. Aber manche weiblichen Ameisen haben ein Organ namens Spermatheca – einen Beutel am oberen Ende ihres Unterleibs. Das ist eine Samenbank. Die Königin speichert dort Ejakulat und hält das Sperma in einer Art Kälteschlaf – jahrelang, wenn nötig. Dann lässt sie die Spermien eines nach dem anderen heraus, und sie werden wieder aktiv und sind bereit, weitere Eier zu befruchten.«
    Mir fiel das Kinn herunter. »Und du meinst, das passiert in Lucias Körper?«
    Er schaute abwehrend drein. »Ich sage nur, dass es möglich ist.«
    »Aber die Ameisen hatten hundert Millionen Jahre Zeit. Peter, was ich über die Evolution weiß, hätte auf einem Fingernagel Platz. Aber würde ein solch großer Umbau des menschlichen Fortpflanzungssystems nicht

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