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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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getötet, darunter eine Putzfrau und den Leiter der Einrichtung. Das FBI schien überzeugt zu sein, dass es sich um Sabotage handelte. In die Ecke des Bildes hatte das FBI zwei Fotos von Verdächtigen gesetzt, die es mit dem Vorfall in Verbindung brachte.
    Einer von ihnen war unzweifelhaft Peter.
    Ich trat zurück. »Scheiße.«
    »Keine fünf Minuten, nachdem wir unsere erste klare Aufnahme von ihm gemacht hatten, fand unsere Gesichtserkennungs-Software das hier.«
    »Das muss ein Irrtum sein. Peter ist ein Exzentriker, aber kein Krimineller. Ich kann nicht glauben, dass er etwas mit so einem Vorfall zu tun hatte.«
    Rosa drehte den Bildschirm energisch zurück. »Sag das dem FBI. Und nun hat sich dieser ›harmlose‹ Freund, dieser mutmaßliche Bombenleger, dieser Mörder in die Krypta verkrochen – und du hast ihn hierher geführt.«
    »Und was soll ich jetzt tun?«
    »Fahr mit mir hinunter und hol ihn heraus.«
    Ich zögerte. Ich hatte Angst davor, noch tiefer in diesen Schlamassel hineinzugeraten. Aber ich wusste, dass mir nichts anderes übrig blieb. Rosa ging mit mir zu dem Hochgeschwindigkeitsfahrstuhl, der uns in den Orkus zurückbringen würde. Die Türen glitten mit einem pneumatischen Seufzen auf.
    Ich wurde erneut verschluckt.
     
    Ich trat in das mittlerweile vertraute Gedränge hinaus.
    Während wir zum Schauplatz des Geschehens eilten, hob ich den Kopf und atmete in tiefen Zügen. Die Luft war klamm und sauerstoffarm, und meine Lungen mussten Schwerarbeit leisten. Erneut stieg mir dieser starke tierische Gestank in die Nase, der Moschusgeruch von Schweiß und Urin, Blut und Milch, so erstickend und dennoch irgendwie so berauschend.
    Ich war voller Zweifel, was den Orden betraf, voller widerstreitender Gefühle. Ich hatte mir Peters ausgefallene Argumente über Eusozialität, Schwärme und Koaleszenten angehört, eine neue Form der Menschheit. Und über allem schwebte das Bild von Lucia, das mir nicht aus dem Kopf gehen wollte, einer Fünfzehnjährigen, gequält von – nun, von irgendjemandem an diesem Ort, der ihre Fruchtbarkeit für irgendwelche Zwecke ausbeutete, die nicht die ihren waren. Aber trotz alledem war es schön, wieder hier zu sein. Ich gehörte hierher: Während ich wieder durch diese engen Korridore ging, spürte ich es auf einer tiefen, zellularen Ebene. Auf welche Weise der Orden mir Signale schickte, durch Körpersprache, Schimpansengrunzen, Duft oder wodurch auch immer, sie erreichten mich jedenfalls.
    Aber heute kam mir die Krypta verändert vor.
    All diese alterslosen weiblichen Gesichter (und ein paar männliche) sahen mich unsicher an, mit großen rauchgrauen Augen und herabgezogenen Mundwinkeln. Ich war mir sicher, dass nur wenige von ihnen Bescheid wussten, was los war, aber sie ließen sich erst von Rosa und dann voneinander anstecken und wichen alle blindlings vor mir zurück. Diese stumme Ablehnung tat weh.
    Doch trotz des selbstmitleidigen Schmerzes fiel mir auf, dass es in der Krypta still war: Menschen sprachen miteinander, aber nur leise, sie beugten sich zueinander und flüsterten sich ins Ohr. Sie bewegten sich sogar leise, ihre Füße traten sanft auf den Boden. Ich horchte auf das Summen der Generatoren, das Zischen und leise Brummen der Klimaanlage, konnte jedoch nichts hören.
    »Geräuschloser Gang«, sagte ich zu Rosa.
    »Was meinst du?«
    »Wie ein U-Boot, das dem Sonar der Schiffe an der Oberfläche zu entgehen versucht. Wir sind in einem riesigen, statischen, unterirdischen U-Boot.«
    In diesem Moment kam mir zu Bewusstsein, dass der Orden schrecklich verwundbar war: Ganz gleich, über wie viel Macht und Reichtum er verfügte, er saß unbeweglich in dieser Krypta, dieser Erdhöhle fest. Kein Wunder, dass Rosa so heftig auf Peters Eindringen reagiert hatte. Dass die Krypta enttarnt wurde, war so ziemlich das Schlimmste, was passieren konnte, denn war sie erst einmal bloßgelegt, würde sie auch bloßgelegt bleiben. Der geräuschlose Gang musste instinktiv sein, dachte ich, eine über Generationen hinweg angezüchtete Reaktion. Eine große Welle der Angst und der Niedergeschlagenheit musste durch die dicht gedrängten, sich berührenden, miteinander schwatzenden Mitglieder des Ordens gegangen sein, eine Welle des Schreckens, aber nicht der Information, eine Welle, die auf ihrem Weg Schweigen und Vorsicht hinterlassen hatte.
    Wir stiegen zur zweiten Ebene hinab und eilten an den Galerien der Krankenstationen und Schlafsäle vorbei. Irgendwann führte unser

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