Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
Vielleicht war ein Tier in den Domen hängengeblieben – ein Steppenfuchs möglicherweise?
    Das Geräusch wiederholte sich nicht, daher ging er langsam weiter.
    Vielleicht war das ja der Grund für die Patrouillengänge: Der General wollte vermeiden, dass bei Nacht Tiere ins Lager eindrangen und Unruhe stifteten. Zwar gab es in dieser Einöde kaum eine Kreatur, die größer als ein Beutelbär war, aber selbst so ein mickriges Vieh konnte einem Soldaten leicht den wohlverdienten Schlaf rauben, wenn es im Herzen der Nacht plötzlich draußen an der Zeltbahn zu kratzen begann. Innerhalb von Sekunden konnte ein unübersichtlicher Tumult losbrechen, und jeder noch so grüne Fußsoldat wusste, wie nachhaltig nächtliche Fehlalarme der Truppenmoral schadeten.
    Klorski zog seine Waffe, ein unterarmlanges Schwert aus lyktischem Stahl, und Heß versonnen den Daumen über die Schneide gleiten. Die Klinge war rau und schartig, wie er es liebte, verkrustet mit den schwarzen Überresten vom Blut irgendeines Hers, das er vor Zeiten erschlagen hatte. Wie lange war das jetzt her?
    Ein Grinsen breitete sich auf seinem warzenübersäten Gesicht aus, als ihm Erinnerungen an seine Jugend in Lyktien ins Gedächtnis kamen. Daheim, zu Beginn seiner Soldatenlaufbahn, hatte er in einer reinen Ork-Kohorte gedient – nicht so einem bunten, verweichlichten Haufen wie seiner jetzigen Truppe, in der Orks allenfalls ein Viertel der Belegschaft ausmachten und wo sogar Trolle geduldet wurden! Damals hatten er und seine Kumpane gerne am frühen Morgen wilde Krügerschweine in den Hof der Kaserne getrieben. Was für ein Spaß, wenn die Kameraden halbnackt aus ihren Kojen hochgefahren und mit gezückten Säbeln über die quiekenden Biester hergefallen waren! Zum Frühstück hatte es dann Braten gegeben, und zwar nicht zu knapp.
    Klorskis Grinsen wurde breiter. Tiere zu töten lag ihm. Es bereitete ihm Freude zuzusehen, wie sie zuckend und blutend dalagen und mit ihrem Lebenssaft die Erde düngten. Natürlich war das nichts im Vergleich zu jenem großartigen Moment im Kampf Mann gegen Mann, wenn der Gegner – ein denkendes Wesen, fähig, Schmerz bewusst wahrzunehmen – mit verdutzter Miene den Kopf senkte und feststellte, dass seine schönen Gedärme, eben noch ordentlich in der Bauchhöhle verpackt, plötzlich aus einer riesigen Schnittwunde bis auf den Boden herabbaumelten. Bei Boshuda, dafür waren Klingen gemacht!
    Klorski knurrte, ein gutturaler Laut tief unten in der Kehle. Er wollte kämpfen! Töten. Zerhacken. Vernichten!
    Das verstohlene Knirschen ertönte ein drittes Mal, ganz in seiner Nähe. Schlagartig stand sein Entschluss fest. Wusste der Himmel, wann die verdammten Achtarmigen aus Xamen endlich eintrafen – selbst wenn es schon morgen wäre, würden noch etliche Tage ins Land ziehen, bis er an der nesnilinischen Grenze endlich jemandem das Lebenslicht ausblasen könnte. Klorski aber verspürte tief den Drang, ein Lebewesen bluten zu lassen, und wenn es nur ein dreckiger Steppenfuchs war.
    Lautlos trat er seinen Stumpen auf dem Boden aus und schlich mit gezückter Klinge los, in Richtung der Buschgruppe. Er war jetzt völlig sicher, dass sich dort etwas verbarg, irgendein Viehzeug, das in unregelmäßigen Abständen seine Position veränderte. Ein paar Dutzend Schritte noch, dann würde er es wissen …
    Klorski bemühte sich, beim Gehen möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Doch die starren Sohlen seiner Schnürsandalen waren eindeutig nicht zum Anschleichen gemacht. Immer wieder knirschte der Kies verräterisch unter seinem Gewicht, viel lauter als die Geräusche, die das Tier verursacht hatte.
    Noch zehn Schritte.
    Klorskis Atem beschleunigte sich bei der Vorstellung, wie sein Schwert in das weiche Fleisch eindringen würde, das reißende Geräusch, wenn Fell und Haut und Muskelgewebe auseinanderklafften. Voller Vorfreude musterte er sein Schwert, dessen verdreckte Klinge im Mondlicht nicht den Hauch einer Reflexion hervorrief. Perfekt – Orks wussten, warum sie ihre Waffen niemals reinigten.
    Ein anhaltendes Rieseln ertönte. Kurz dachte Klorski, er habe auf dem leicht ansteigenden Grund eine Kieslawine losgetreten. Doch ein rascher Schwenk mit der Laterne zeigte ihm, dass sich der Boden rings um seine Füße nicht bewegte.
    Ruckartig hob er den Kopf.
    Eine verstohlene Bewegung im linken Ausläufer der Buschreihe, wenig mehr als ein Schatten inmitten von Schatten. Sie endete im selben Augenblick, da das Rieseln verebbte.

Weitere Kostenlose Bücher