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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Prolog
     
     
    Die Luft über der Ebene roch nach Pferd, Schweiß, verschüttetem Wein und Fäkalien. Klorski liebte dieses Geruchsgemisch. Während er ohne Eile einen Fuß vor den anderen setzte, sog er den ganz speziellen Duft in langen Zügen durch die Nase ein. Es war ein Duft voller Verheißung, ein Duft, der von Freiheit kündete – der Freiheit, auszuziehen, einem Gegner mit dem Schwert den Schädel zu spalten und anschließend in seinem hervorsprudelnden Blut ein Bad zu nehmen. Ein Duft, der seinem drögen Orkdasein Sinn einhauchte.
    Es war der Duft des Heerlagers.
    Klorski verharrte, eine Hand auf dem Schwertknauf, und ließ den Blick über die nächtliche Steppe schweifen. Karst, Staub, ein paar verkrüppelte Büsche. Am Horizont die unregelmäßige Kette flacher Hügel, hinter der die Ewige Flamme von Torrlem den Nachthimmel mit einem beigebraunen Schimmer überzog. Sonst nichts.
    Schnaubend setzte Klorski seinen Rundgang fort. Patrouillengang am Lagerrand – wer kam bloß auf solchen Blödsinn? Dachte General Ortlov wirklich, sie hätten hier, in der am dünnsten besiedelten Gegend Sdooms, mit Angriffen zu rechnen? Mit Spionen? Attentätern? Lächerlich!
    Klorski spuckte einen Batzen Rotz aus und trat ihn mit der Sohle seiner Sandale in den Staub. Im Weitergehen drehte er den Kopf und musterte, was im Schein des Mondes zu seiner Linken vom Lager zu erkennen war.
    Sie mochten nur knapp dreitausend sein, ein Heer, das diese Bezeichnung kaum verdiente. Dennoch: Kein Strauchdieb -vorausgesetzt, es gäbe hier, in der unwirtlichen Ebene von Torr einen – hätte es gewagt, sich der Zeltstadt auch nur auf Pfeilschussweite zu nähern. Zu bedrohlich flackerten die Feuer zwischen den Zelten, zu streitlustig hallten die kehligen Gesänge der betrunkenen Männer, Trolle und Orks über das flache Land.
    In einem Königreich, das seit mehr als einem Zyklus keinen anständigen Krieg mehr gesehen hatte, war selbst ein mickriges Heer ein mächtiges Heer!
    Klorski öffnete einen Beutel an seinem Gürtel und fummelte einen handtellergroßen Fetzen pergamentartigen Materials daraus hervor. Er stellte die Laterne neben sich auf den Kies und förderte mit der zweiten Hand einen kleinen Tabaksack zutage. Das schwarze Kraut, das er herausrieseln ließ, verteilte er gleichmäßig auf dem Fetzen, bevor er das Gebilde mit einer Sorgfalt, die für einen Ork mehr als beachtlich war, zu einer fingerdicken Röhre zusammenrollte. Er steckte sie in den Mund, nahm die Laterne wieder auf und gab sich mit dem darin lodernden, ölgetränkten Docht Feuer.
    Dicke Schwaden beißenden Qualms stiegen zum nächtlichen Firmament empor. Klorski hustete kehlig, dann seufzte er lustvoll, während er sich wieder in Bewegung setzte. Es ging nichts über Boror-Kraut, gerollt in die getrocknete Haut einer Nachtglyme oder eines anderen köstlichen kleinen Piepmatzes. Bei Boshuda!
    Klorski stammte aus Lyktien, einem kleinen Land, das im Südosten an Sdoom grenzte. Sein Vater hatte den Rang eines Bürdenmuffels bekleidet, das höchste politische Amt seiner Heimat und zugleich das einzige. Seine Mutter war, wie die meisten Orkfrauen, erwerbslos gewesen, hatte sich lediglich hie und da durch Gelegenheitsprostitution ein paar Kaunaps verdient. Kurz nach Klorskis Geburt war sie dann Orakel geworden, unter Orks eine gleichermaßen angesehene wie lukrative Profession, die nicht allzu viele Frauen auszuüben in der Lage waren, setzte sie doch den regelmäßigen Konsum großer Mengen von Rauschmitteln voraus, ohne dass man dabei das Bewusstsein verlor.
    Mit zwölf hatte sich Klorski, wie es unter Orks Brauch war, zur Armee gemeldet. Im Gegensatz zu Sdoom, diesem öden Land voller Langweiler und Feiglinge, existierte in Lyktien bereits seit Urzeiten ein Berufsheer, das unabhängig von der aktuellen politischen Lage unterhalten wurde. Dieses Heer stellte den Hauptgrund für die guten diplomatischen Beziehungen dar, die Lyktien trotz seiner eher bescheidenen Ressourcen und einer desaströsen Wirtschaft zu den meisten umhegenden Reichen pflegte. Letztere borgten sich das stehende Heer mit schöner Regelmäßigkeit aus, um militärische Konflikte auszufechten, und die lyktische Regierung ließ sich diesen Dienst mit ebenso schöner Regelmäßigkeit fürstlich vergüten.
    Als vor drei Monaten die Kunde von Unruhen an der nesnilinischen Grenze in Nophelet, der Hauptstadt Sdooms, eintraf, hatte man daher fast umgehend Boten mit der Bitte um militärische Unterstützung

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