Der Osmanische Staat 1300-1922
Jahren wurden 100 Eunuchen
für den Palast rekrutiert.
j) Die Nichtmuslime
Der rechtliche Status und die sozialen Verhältnisse der Nichtmuslime des Osmanenstaats haben zahlreiche Autoren beschäftigt. Eine große Bestandsaufnahme
stellt der Sammelband Christians and Jews in the Ottoman Empire. The Functioning of a Plural Society (New York 1982) von BRAUDE und Lewis [740] dar. Der
Auffassung BRAUDES, bei der Übertragung des millet-Begriffs auf Verhältnisse vor
dem 19. Jahrhundert handele es sich um einen „historiographischen Fetisch", hat
URSINUS widersprochen: Die osmanische Fiskalverwaltung habe durchaus schon
im 18. Jahrhundert die drei großen „buchbesitzenden" Religionsgemeinschaften
als millet angesprochen [EI2 s.v. Millet]. In Verwaltungstexten des 18. Jahr hunderts aus dem arabischen Osten ist jedenfalls von einzelnen Religionsgemeinschaften als tä'ife („Gruppe") die Rede. Ein Autor hat den unbestrittenen Status iuris minoris der Nichtmuslime mit der selten gestellten Frage
nach der praktischen „Toleranz" verbunden [741: BINSWANGERI. Den syrischen
Katholiken im Reformzeitalter hat sich HEYBERGER zugewandt [742]. Sein Buch
hat Ergebnisse der orientalistischen Forschung eingearbeitet und vermittelt auch
einen Begriff vom Reichtum der Archive der Kongregation De Propaganda Fide in
Rom. Hier wird deutlich, daß die kirchliche Autorität innerhalb der postulierten
„millet-Verfassung" alles andere als absolut war.
Griechen
Sehr einflußreich war N. IORGAS „Byzance apres Bvzance"(1935), in dem das
Fortleben der byzantinischen Kultur vor allem in den rumänischen Fürstentümern gewürdigt wurde. Durch die Arbeiten BRYERS [540] ist das postbyzantinische Griechentum im Schwarzmeerraum sichtbarer geworden. Ganz
neue Gesichtspunkte ergeben sich, wenn man das „Pontic Revival" in eine Welt
einordnet, in der Tiflis, Odessa, Konstantinopel, aber auch Täbris und Manchester
wichtigere Orte waren als Athen. Die religiöse und kulturelle Wirksamkeit der
turkophonen Orthodoxen (Karamanli) kann mit Hilfe einer mehrbändigen Bibliographie studiert werden [542: SALAVILLE, DALLEGIO, BALTA]. Über die Ethnogenese der Karamanli besteht keine einheitliche Auffassung. ECKMANN sah in
ihnen im Anschluß an MORAVCSIK [Byzantino-Turcica 2, Berlin 1958, Index]
Nachkommen von in vor-osmanischer Zeit angesiedelten Türken und nicht wie
einige griechische Autoren gewaltsam turkisierte Griechen [544]. Das „Zentrum
für Kleinasiatische Studien" in Athen (Kentro Mikrasiatikön Spoudön) pflegt das
Gedächtnis der Tourkomerites, von denen die überwiegende Mehrheit vor dem
Abkommen über den „Austausch" der Minoritäten, d. h. zwischen 1913 und 1922,
Kleinasien verließ.
Der orthodoxe
Klerus
Es wurde oft herausgestellt, daß der orthodoxe Klerus in osmanischer Zeit einen
größeren Einfluß erhielt als in byzantinischer. Kirchliche Gerichte beschäftigten
sich mit zahlreichen Zivilangelegenheiten (Kaufverträgen, Erbsachen, Eheschließungen, Scheidungen, Schulden). Eine zusammenfassende Darstellung der
rechtlichen Gegebenheiten müßte einbeziehen, daß es auch von Notabeln gebildete Gerichtshöfe (etwa in Bulgarien) gab und solche der Zünfte. Eine detaillierte Darstellung der Privilegien des ökumenischen Patriarchats im osmanischen Staat hat TH. PAI'ADOrout.os in Angriff genommen [743]. SCHEEL, hat
aus osmanischen Dokumenten die „staatsrechtliche Stellung des ökumenischen
Kirchenfürsten" beschrieben [744]. RUNCIMAN betrachtete das Verhältnis zwischen Patriarchat und osmanischem Staat zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert.
In den wesentlich längeren Amstzeiten des 18. Jahrhunderts sah er einen Ausdruck
der stabileren Beziehungen zwischen Obrigkeit und Kirche [745]. Einen noch
kürzeren Zeitraum (1620-1638) in der Geschichte der Orthodoxie nahm sich
HERING in einer außerordentlich gut dokumentierten Studie vor [419]. Hauptsächlich auf der Grundlage von Einsetzungsdiplomen der Jahre 1633-1848 konnte KABRDA das Finanzwesen der orthodoxen Kirche erfassen [746). Neuernannte
Metropoliten ließen sich ihre Vorrechte gegenüber ihren Eparchien von der
osmanischen Zentrale bestätigen. KABRDA sah in der Kirche eine „Art Kollaborateur des Regimes bei der Befestigung der Fremdherrschaft über die unterworfenen Religionsgenossen", der es gleichwohl gelang, ein gewisses nationales Bewußtsein aufrechtzuerhalten, und das v.a. in den Klöstern.
Armenier
Die starke Zerstreuung der
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