Der Osmanische Staat 1300-1922
neue
außerordentliche Steuern (tekälif--i jakka) und so gut wie nie zurückgezahlte
Zwangsanleihen für den Fiskus (imdäd-i hazine). Im 18. Jahrhundert wurden sie
unter dem Namen imdäd-i seferiye institutionalisiert. Hinzu kamen zunächst auf
die sultanischen Moschee-Stiftungen beschränkte Kontributionen und Konfiskationen aus dem Vermögen von verstorbenen Sultansdienern. Die grenznahen Provinzen finanzierten einen großen Teil der militärischen Lasten selbst,
während die Kernräume hohe Transfers an den Fiskus leisteten.
Bewaffnung
Die traditionelle Bewaffnung der Reiterarmee bestand aus Bogen, Pfeilen und
Köcher. Der aus vielen Elementen zusammengefügte Reflexbogen (yayok) wurde
noch nach der Zweiten Belagerung von Wien (1683) verwendet. Das Gewehr
wurde in der osmanischen Armee mit einer Verspätung von mindestens sechzig
bis siebzig Jahren gegenüber dem übrigen Europa eingesetzt. Damit fiel die
sogenannte „Radschloß-Periode" aus. Das Rüstzeug für den Panzerreiter (cebeci) bestand zunächst aus einem Lamellenharnisch, später (ab dem 17. Jahrhundert)
aus Panzerhemd, Sturmhaube, Panzerhandschuh. Charakteristischer Bestandteil
des Reitzeugs war ein Bocksattel. Die türkischen Truppen benutzten gewölbte
Rundschilde aus Metall oder Ruten. Zu den Blankwaffen gehörten der Krummsäbel oder das Schwert mit gerader, zweischneidiger Klinge. In die „Türkenbeuten" der europäischen Museen haben sich zahlreiche Streitkolben (topuz)
und Hoheitszeichen wie Roßschweife auf Stangen (tug) erhalten.
Feuerwaffen
Artillerie
Die frühesten Nachrichten der osmanischen Chroniken über die Verwendung
von Feuerwaffen in den Schlachten von Kosovo (1386) und den ersten Belagerungen von Konstantinopel (1395-1402) sind kaum verwertbar. Vielleicht
drang die neue Technik über Ragusa und Serbien im späten 14. Jahrhundert vor.
1427 fand der Karamane Mehmed Beg bei seiner Belagerung von Adalya/Antalya
durch einen gut gezielten Kanonenschuß der osmanischen Besatzung den Tod.
Nach einem griechischen Bericht verwendeten die Osmanen im Jahr 1422 große,
aber wenig wirkungsvolle boumpardai. Gegen Saloniki wurden 1430 Kanonen
und Gewehre eingesetzt. Unter Muräd II. und Mehmed II. wurden Belagerungsgeschütze an Ort und Stelle gegossen (Hexamilion 1446). Besonders bekannt ist der Transport einer Riesenkanone von Edirne, die bei der Einschließung
Konstantinopels 1453 die entscheidende Bresche in die Landmauern schlug. Die
Anfänge der Feldartillerie fallen in die Zeit zwischen der Schlacht von Varna (1444)
und der Zweiten Schlacht von Kosovo (1448). Der Sieg Mehmed II. über Uzun
Hasan bei Otluk Bell (1473) wird von einigen Autoren der Überlegenheit seiner
Feuerwaffen zugeschrieben. Noch deutlicher wird dies in der Schlacht von
Waldtran (1514). Auch in Zukunft sollte das Geschützwesen im safawidischen
Iran eine wesentlich geringere Rolle spielen als bei seinem westlichen Nachbar,
obwohl eine Anzahl von Überläufern in die Dienste des Schahs trat. Osmanische
Experten waren an der Verbreitung der Artillerie in Indien (Erwähnung im BäburNäme, vor 1529), China und den özbekischen Chanaten beteiligt. In den Auseinandersetzungen der muslimischen Anrainer des indischen Ozeans mit Portugal
wird das Fehlen einer wirkungsvollen Artillerie besonders deutlich. In einem Brief
an Süleymän 1. garantierte der Sultan von Atjeh (Nord-Sumatra), Alä al-din
Ri`äyat Sah, 1565 die Vertreibung der Ungläubigen, falls ihm die Osmanen
Artillerie zur Bekämpfung der portugiesischen Festungen sendeten. Tatsächlich
scheint eine Anzahl von osmanischen Kanonengießern in Sumatra gewirkt zu
haben. Die Rohre der Geschütze wurden auf vierrädrigen Lafetten gefahren. Die
Geländeverhältnisse erschwerten den Transport von Belagerungskanonen
teilweise so sehr, daß sie von Feldherrn zurückgelassen werden mußten. Festungsgeschütze wurden am Bosporus, an den Dardanellen und zahlreichen
Küstenforts und Zitadellen im Binnenland unterhalten (z. B. waren im Jahr
1113/1701 in Bodrum 32, in Erzurum 97, im südostanatolischen Hasan Kale
108, in Aleppo 135, in Sinop 156 und in Hotin 157 Geschütze registriert).
Musketen, Gewehre,
Pistolen
Musketen werden von den Janitscharen seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts
allgemein verwendet, waren aber im übrigen Europa schon seit dem ersten Drittel
des 15. Jahrhunderts in Gebrauch. Unter dem Eindruck der Wien- und Ungarnfeldzüge (1526 und später) rüstete
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