Der Osmanische Staat 1300-1922
Süleymän I. die Janitscharen verstärkt
mit Gewehren und Pistolen aus. Türkische Gewehre waren wegen ihrer Damaszenerläufe haltbarer als europäische. Ihre Tragweite soll die europäischer Musketen übertroffen haben (300 m : 225 m). Schützen dienten auch als Seesoldaten, so
etwa 3000 Janitscharen in der Schlacht von Preveza (1538). Die Provinz-Kavallerie übernahm die neuen Waffen mit Ausnahme einiger Spezialeinheiten und Festungsbesatzungen spät und zögernd. Der Lange Krieg gegen Habsburg (15931606) bewies, daß die türkische Reiterei den feindlichen Fußsoldaten nicht mehr
standhalten konnte. Die hastige Rekrutierung christlicher Hilfstruppen (sekbän
v.a. in Albanien und Bosnien) sollte nachhaltige Folgen für die osmanische
Hegemonie haben.
Feuerwaffen
und provinzielle
Unruhen
Das Gesetzbuch (känün-näme) für Ägypten von 931/1524 ist der älteste Text,
der das Tragen von Feuerwaffen auf Amtspersonen beschränkte und dem Staat ein
Monopol bei der Fabrikation und Reparatur einräumt. Bei der Revolte des Prinzen
Bäyezid (1559), spätestens aber Anfang des 17. Jahrhunderts wurde aber deutlich,
daß der Staat sehr bald in den Provinzen die Kontrolle über die Produktion und
Verbreitung von Waffen und Pulver verloren hatte. Die Preise lokaler und importierter Waffen waren gering und erlaubten auch Bauernsöhnen, mit einem
Gewehr in die Dienste eines Paschas oder Beys zu treten oder sich aufständischen Gruppen anzuschließen (Celli). Die aufständischen landflüchtigen Bauern (Gift bozan) und Medrese-Schüler (suhte/softa ) des späten 17. Jahrhunderts
waren in der Regel mit Flinten bewaffnet. 1606 bot der Rebell Canbulad-Zäde All
im Raum Aleppo/Kilis 20 000 oder 30000 mit Gewehren ausgerüstete Fußkämpfer und ebenso viele Reiter auf. Nach der Niederschlagung der Abaza-Revolte
(1659) sollen 50000 Gewehre der Aufständischen in die staatlichen Zeughäuser
eingeliefert worden sein. Abaza verfügte wie andere Aufständische vor ihm über
Feldartillerie. Um 1570 befanden sich Handfeuerwaffen auch im Besitz nomadischer Stämme. In der Regel aber sollten selbst Paß- und Brückenwächter
(derbendci) keine Feuerwaffen führen. Alle Waffen wurden in Magazinen (cebhäne) verwahrt. Die wichtigste Gießerei war das große Tophane von Istanbul.
Eisen aus den bulgarischen Hütten von Samakov wurde über Ahiyolu am
Schwarzen Meer transportiert. Kanonenkugeln wurden an mehreren Orten,
z. B. im bosnischen Banja Luka oder in Kigi bei Erzurum, produziert.
Logistisches
Wie bei anderen traditionellen Armeen war das Schicksal der osmanischen
Waffen eng mit den Erfolgen der Tierzucht verbunden. Pferde wurden v.a. in den
Balkanländern unter der Obhut bulgarischer voynuks gezüchtet. Im ganzen Reich
gab es für die Bedürfnisse des Heeres reservierte Weideflächen. Kamele wurden in
der syrischen Steppe von nomadisierenden Turkmenen für den Staat bereitgehalten.
Einige tausend Kamele für den Transport von Getreide, Mehl, Küchenausrüstungen, Kanonenkugeln, Zelten und dem Truppensold in Münzen begleiteten
die Armee. Der Mangel des zum Gießen von Bronzekanonen erforderlichen Zinns
wurde beispielsweise während der Kriege gegen Persien (1578-1590) und Habsburg (1593-1606) durch Lieferungen aus England behoben. Aber auch Blei, Eisen,
Kupfer und Stahl kamen aus dem Abendland. Holländisches Kriegsmaterial trug
zum Sieg der Osmanen im Krieg um Kreta (1645-1669) bei. Von einer allgemeinen
Abhängigkeit von Importen kann man aber wahrscheinlich zu keinem Zeitpunkt
bis in das späte 17. Jahrhundert sprechen.
Die Verpflegung der
Truppe
Insgesamt dürfte die osmanische Armee besser ernährt gewesen sein als die
europäischen Landsknechtsheere. Fleisch fehlte in den Rationen nicht. Weizen
und Hafer wurde in Stationen entlang der Heerstraße gelagert. Graf MARSIGLI
nennt für das späte 17. Jahrhundert an Tagesrationen: Frisches Brot (320 gr.),
Zwieback (160 gr.), Rinds-oder Schaffleisch (192 gr.), Butterschmalz (80 gr.) und
- allerdings nur an Freitagen - Reis (50 gr.). Zum Teil wurde der Proviant
angekauft, zum Teil durch Kontributionen (sürsat) erhoben. Bei ausreichender
Ernte bedeuteten diese Ankäufe durch die Armee eine Belebung der Landwirtschaft in den küstenfernen Provinzen. Hafer mußte wegen der zahlreichen
Reit- und Lasttiere in großen Mengen zur Verfügung stehen. Fleisch wurde z. T. in
Form lebender Tiere mitgeführt.
Kriegführung
In den fast fünf Jahrzehnten der
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