Der Osmanische Staat 1300-1922
in Form von Erlassen (wie hatt-: hümäyün, fermän, iräde oder
Ernennungsurkunden - berät) in die Staatsgeschäfte ein. Seine Einkünfte waren
vom Staatsschatz getrennt. Dieser „Innere Schatz" (hazine-i hässa) wurde aus dem
herrscherlichen Anteil bei der Kriegsbeute, konfiszierten Besitztümern und
Geschenken gebildet. Selbst die Überschüsse aus Stiftungsbesitz konnten in die Schatulle des Herrschers fließen. Für das allgemeine Budget bildete dieser Innere
Schatz eine Reserve.
Residenzen
Mit der Eroberung von Istanbul wurde die Residenz Adrianopel/Edirne nicht
völlig aufgegeben. Vor allem im 17. Jahrhundert hielten sich einzelne Herrscher
über Jahre in der thrakischen Stadt auf. Aber auch sonst wurde das Topkapi Sarayi
im Sommer zugunsten einer Anzahl von Residenzen am Bosporus verlassen.
Abdülmecid bezog 1856 in Dolmabah~e einen neuen Palast, ohne die klassische
Einteilung in Empfangs- und Familienbereich aufzugeben. Abdülhamid II. (1876-
1908) baute das gegenüberliegende Yildiz nach seinen Vorstellungen aus.
Divan-i Hümäyün
Während bis zur Herrschaftsperiode Mehmed II. der Divän-i Hümäyün täglich
unter dem Vorsitz des Sultans zusammengetreten sein soll, übernahm danach der
Großwesir den Vorsitz dieses höchsten Ratsgremiums des osmanischen Staates.
Sitzungstage fanden wöchentlich einmal oder mehrmals statt. Ständige Divanmitglieder waren die sogenannten Wesire der Kuppel (nach dem Versammlungsraum „Unter der Kuppel" im Topkapi Sarayi), die Heeresrichter von Rumelien und Anatolien, der Finanzchef (defterdär) und der nijäna („Kanzler"). Der
Janitscharen-Agha nahm teil, falls er den Wesirsrang innehatte. Weitere hohe
Amtsträger hielten sich bereit, ohne in die Verhandlungen einzugreifen. Ab
Mitte des 17. Jahrhunderts gingen die Aufgaben dieses zentralen Organs mehr
und mehr an das Amt des Großwesirats über (Bäb-i Äsafi, türk. Pa;a kaptst). Mit
der Gründung des Bäb-i Äli genannten Präsidiums und der Einführung von
Ressortministerien (nach 1834) war der Übergang zu einem neuzeitlichen Regierungssystem vollzogen.
Der Großwesir
Das Großwesirat war das höchste Amt und bestand bis zum Untergang des
osmanischen Staates. Die osmanische Amtsbezeichnung Sadr-(t) a`zäm (etwa
„Höchster unter den Würdenträgern") taucht erst um 1540 auf. Sein Inhaber
führte das „Reichssiegel" (mähr-i hümäyün) als Ausdruck seiner Würde. Wenn
der Herrscher nicht selbst ins Feld zog, befehligte er als „Generalissimus" (serdär)
mit uneingeschränkten Vollmachten die Truppen. Die Amtszeiten der Großwesire
waren unregelmäßig. Prominente Inhaber wie Makbül-Maktül Ibrähim Pascha
und Sokullu Mehmed Pascha brachten es auf 12 bzw. 14 Jahre, andere nur auf
wenige Tage oder Wochen. Das Großwesirat wurde bis in die Mitte des
15. Jahrhunderts mit einigen Ausnahmen mit Vertretern der ilmiye besetzt. In
den folgenden zwei Jahrhunderten gaben Produkte der „Knabenlese" (deviirme)
den Ton an. Für das 16. Jahrhundert galt die Regel, daß ein Großwesir über die
Ämter des dritten bzw. zweiten Wesirs aufstieg. Unterhalb dieser Funktionen
bildete das beylerbeylik („Generalgouvernat") von Rumelien ein Schlüsselamt, das
kaum zu umgehen war, wenn man das Großwesirat im Auge hatte. Die Ernennung
zum Rumeli Beylerbeyi seinerseits setzte Erfahrungen als Statthalter wichtiger
Provinzen voraus.
Die zentrale
Bürokratie
In den ersten Jahrhunderten unterstanden vier von sechs zentralen Kanzleien
(kalem) dem Kanzleichef (re`isülküttäb): beylik~i oder divän kalemi, cimedi kalemi, tahvilkalemi und ru`üs kalemi. Das Amt der Finanzbehörde wurde Bäb-i
defteri genannt. Ihr stand der Finanzchef (defterdär) als dritthöchster Amtsträger
vor. Zu unterscheiden davon ist das für alle mit Grund und Boden zusammenhängenden Aufgaben zuständige defterhane, in dem die Register der großen
Kategorien von Landbesitz geführt wurden („Dienstlehen": timar, ze amet; hass;
Privatland: mülk und Stiftungsbesitz: vaktf). In seinen drei Abteilungen wurden
die mufassal (detailliert), icmal (summarisch) und rüznamce (Journal) genannten
Register (defter) fortgeschrieben. Die erste Gruppe hielt sämtliche Steuerpflichtigen nach Personen evident. Der icmal kalemi erfaßte das gesamte Steueraufkommen einer Provinz (viläyet). Im raznamVe wurden alle Veränderungen
der timar-Stellen erfaßt. Vom 16. bis 18. Jahrhundert gliederte sich die zentrale
Finanzbehörde in
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