Der Pakt der Liebenden
Steaks und Burger grillte. Und ich spürte schon damals, dass mein Vater zwar meiner Mutter von Jimmys heimlichen Kochkünsten erzählte, aber nie eine derart unvorsichtige Bemerkung im Beisein seiner Polizistenbrüder gemacht hätte.
Jedenfalls nahm Jimmy immer meine Hand und drückte nur ein bisschen zu fest zu, um seine Kraft zu erproben. Ich hatte gelernt, dass ich dabei nicht zusammenzucken durfte, denn Jimmy sagte dann immer: »Ach, der hat noch einen weiten Weg vor sich«, und tat so, als schüttelte er enttäuscht den Kopf. Aber wenn ich keine Miene verzog und meinerseits nach besten Kräften zudrückte, lächelte Jimmy und steckte mir einen Dollar zu, verbunden mit der Mahnung: »Gib aber nicht alles für Alkohol aus.«
Ich gab nicht alles für Alkohol aus. Genau genommen gab ich, bis ich fünfzehn wurde, überhaupt nichts für Alkohol aus. Ich gab es für Bonbons und Comics aus oder sparte es für die Sommerferien in Maine, wenn wir bei meinem Großvater in Scarborough wohnten und ich zum Old Orchard Beach mitgenommen wurde und mich auf den Karussells austoben durfte. Doch als ich älter wurde, wurde Alkohol immer verlockender. Carrie Gottliebs Bruder Phil, der bei der Eisenbahn arbeitete und als geistig leicht minderbemittelt galt, war bekannt dafür, dass er bereit war, für Minderjährige Bier zu kaufen, wenn er dafür von jedem Sechserpack eine Flasche abbekam. Eines Abends legten zwei Freunde von mir und ich unser Geld für zwei Sechserpacks PBR zusammen, die Phil für uns besorgte, und tranken den Großteil davon im Wald. Ich hatte den Geschmack weniger gemocht als die freudige Erregung, die mich überkam, weil ich sowohl gegen das Gesetz als auch gegen eine Hausregel verstieß, denn mein Vater hatte mir klargemacht, dass ich keinen Alkohol anrühren dürfte, bis er mir die Erlaubnis gab. Wie alle jungen Männer auf der Welt war ich der Meinung, dass diese Regeln nur für Dinge galten, von denen mein Vater etwas wusste, wenn er aber nichts davon wusste, dann konnte das seinerseits auch keine Folgen nach sich ziehen.
Unglücklicherweise hatte ich eine der Flaschen mit nach Hause genommen und zum künftigen Gebrauch hinten in meinem Schrank versteckt, wo meine Mutter sie fand. Ich hatte mir dafür einen Klaps auf den Kopf eingehandelt, bekam Ausgangssperre und musste für mindestens einen Monat ein unfreiwilliges Armutsgelübde ablegen. An diesem Nachmittag, einem Sonntag, war Jimmy Gallagher zu uns gekommen. Es war Jimmys Geburtstag, und er und mein Vater wollten in die Stadt ausschwärmen, so wie immer, wenn einer von ihnen ein weiteres Jahr feierte, in dem er weder erschossen, erstochen, zu Brei geschlagen oder überfahren worden war. Er hatte mich spöttisch angelächelt und einen Dollarschein zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gehalten.
»All die Jahre«, sagte er, »und du hast nie zugehört.«
Und ich hatte mürrisch geantwortet: »Ich habe zugehört. Ich habe nicht alles für Alkohol ausgegeben.«
Sogar mein Vater hatte lachen müssen.
Aber Jimmy gab mir den Dollar nicht, und danach gab er mir nie wieder Geld. Er kam nicht mehr dazu. Sechs Monate später war mein Vater tot, und Jimmy Gallagher kam nicht mehr mit einem Dollarschein in der Hand vorbei.
Mein Vater wurde nach den tödlichen Schüssen vernommen, denn er hatte sie zugegeben, sobald man ihn zur Rede stellte. Man behandelte ihn verständnisvoll, versuchte zu begreifen, was vorgefallen war, damit man den Schaden begrenzen konnte. Er war bei der Polizei von Orangetown gelandet, da die einheimischen Cops dafür zuständig waren. Die Abteilung für interne Angelegenheiten wurde hinzugezogen, desgleichen ein Ermittler der Staatsanwaltschaft des Rockland County, selbst ein Polizist im Ruhestand, der wusste, wie man so etwas angehen musste, und zunächst einmal die einheimischen Jungs besänftigte, bevor er die Ermittlungen aufnahm.
Mein Vater hatte meine Mutter angerufen, kurz nachdem man ihn abgeholt hatte, und ihr mitgeteilt, was er getan hatte. Später statteten ihr zwei einheimische Cops, darunter Jimmy Gallaghers Neffe, der in Orangetown arbeitete, einen Höflichkeitsbesuch ab. Am frühen Abend, als er noch nicht im Dienst war, war er in Zivil zu unserem Haus gekommen und hatte in unserer Küche gesessen. Er hatte eine Waffe an seinem Gürtel gehabt. Er und meine Mutter hatten so getan, als handelte es sich lediglich um einen ganz normalen Besuch, aber dafür war er zu lange geblieben, und ich hatte die
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