Der Pakt der Liebenden
Dakota gezogen. Ich weiß nicht, ob es der Norden war oder der Süden. Ich nehme an, das spielt keine große Rolle, wenn man bedenkt, wie es dort ist.«
»Waren Sie schon mal in Dakota?«
»In welchem?«
»In beiden.«
Er lächelte schelmisch, und ich sah deutlich den jungen Mann, der jetzt im Körper eines alten steckte. »Warum sollte ich nach Dakota fahren?«, fragte er. »Wollen Sie reinkommen?«
Ich hörte mich die Worte sagen, bevor mir klar war, dass ich mich entschieden hatte.
»Ja«, sagte ich, »wenn ich Ihnen nicht zur Last falle.«
»Überhaupt nicht. Meine Frau kommt bald heim. Am Sonntagnachmittag spielt sie immer Bridge, und ich koche das Essen. Sie dürfen gern bleiben, wenn Sie Hunger haben. Es gibt Schmorbraten. Sonntags gibt’s immer Schmorbraten. Es ist das Einzige, was ich kochen kann.«
»Nein danke. Aber ich freue mich über das Angebot.«
Ich ging neben ihm den Fußweg entlang. Er zog das linke Bein leicht nach.
»Was kriegen Sie dafür, dass Sie das Essen kochen, falls ich das fragen darf?«
»Ein leichteres Leben«, sagte Durand. »In meinem Bett schlafen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass ich ersticke.« Er lächelte wieder, sanft und freundlich. »Und sie mag meinen Schmorbraten, was mich wiederum freut.«
Wir kamen zur Haustür. Durand ging voraus und hielt sie auf. Ich blieb kurz oben auf der Treppe stehen, dann folgte ich ihm hinein, und er schloss die Tür hinter mir. Die Diele war heller, als ich sie in Erinnerung hatte. Sie war gelb gestrichen und hatte weiße Zierleisten. Als ich ein Junge war, war der Flur rot gewesen. Rechts befand sich ein Esszimmer mit Mahagonitisch und -stühlen, der Garnitur nicht unähnlich, die wir einst hatten. Links war das Wohnzimmer. Ein Flachbildfernseher stand dort, wo unser alter Zenith seinerzeit gewesen war, als Videorecorder noch etwas Neues waren und die Sender eine Familienstunde eingeführt hatten, um die Jugendlichen vor Sex und Gewalt zu schützen. Wann war das, ’74? ’75? Ich wusste es nicht mehr.
Die Wand zwischen Küche und Wohnzimmer war entfernt worden, um einen offenen Raum zu schaffen, so dass die kleine Küche aus meiner Jugend mit ihrem Tisch und den vier Stühlen heute gänzlich verschwunden war.
Ich konnte mir meine Mutter in dem neuen Raum nicht vorstellen.
»Verändert?«, fragte Durand.
»Ja. Es ist alles ganz anders.«
»Das haben die anderen Leute gemacht. Nicht die Harringtons, die Bildners. Sind das diejenigen, an die ihr es verkauft habt?«
»Ganz recht.«
»Es hat auch eine Zeitlang leergestanden. Zwei Jahre.« Er schaute weg, war offenbar beunruhigt über die Richtung, die das Gespräch nahm. »Möchten Sie etwas trinken? Ich habe Bier, wenn Sie eins wollen. Ich trinke jetzt nicht mehr so viel. Geht durch mich durch wie Wasser durch ein Rohr. Kaum ist es auf der einen Seite drin, kommt’s auf der andern schon wieder raus. Danach muss ich dann schlafen.«
»Es ist mir noch ein bisschen zu früh. Aber ich nehme gern eine Tasse Kaffee, wenn Sie ihn nicht allein trinken wollen.«
»Kaffee können wir machen. Danach muss ich wenigstens nicht schlafen.«
Er schaltete die Kaffeemaschine ein, dann holte er Tassen und Löffel.
»Hätten Sie was dagegen, wenn ich mir mein altes Zimmer anschaue?«, fragte ich. »Es ist das kleine, nach vorne raus, das mit der zerbrochenen Scheibe.«
Durand zuckte wieder zusammen und wirkte ein bisschen verlegen. »Verdammte Scheibe. Die Kids haben sie beim Baseballspielen zerbrochen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, sie zu reparieren. Und andererseits, na ja, wir benutzen das Zimmer hauptsächlich als Abstellkammer. Es ist voller Kartons.«
»Das spielt keine Rolle. Ich würde es trotzdem gern sehen.«
Er nickte, und wir gingen nach oben. Ich blieb an der Schwelle zu meinem alten Schlafzimmer stehen, trat aber nicht ein. Wie Durand gesagt hatte, war es voller Kartons, Aktenordner, Bücher und alter Elektrogeräte, die einstaubten.
»Ich bin der reinste Hamster«, sagte Durand entschuldigend. »Das ganze Zeug funktioniert noch. Ich hoffe ständig, dass irgendjemand vorbeikommt, der es vielleicht brauchen kann und es mir abnimmt.«
Während ich dastand, verschwanden die Kartons ebenso wie der Schrott, die Bücher und die Ordner. Nur noch das mit grauem Teppichboden ausgelegte Zimmer war da; weiße Wände voller Bilder und Poster; ein Schrank mit einem Spiegel, in dem ich mich sehen konnte, ein Mann über vierzig, mit ergrauenden Haaren und dunklen Augen;
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