Der Pakt der Wächter: Roman
er um und schlägt mit einem dumpfen Laut auf der Ladefläche des Lieferwagens auf. Der Klappsitz knallt zurück an die Wand.
Der Konservator nimmt die Hand aus der Tasche. Noch immer umklammert er die Pistole, die Beatriz ihm gegeben hat. Es qualmt aus einem verkohlten Loch in seiner Jackentasche.
»Ich konnte nicht anders«, sagt er.
Wir stellen den Sarg auf den Garagenboden und versuchen, Hassan aus dem Auto zu ziehen. Er ist zu schwer. Obgleich wir zu dritt an ihm ziehen und zerren, rührt er sich nicht von der Stelle.
»Wir haben keine Zeit für so was!«, sagt Beatriz.
Wir lassen von ihm ab.
»Mir blieb keine andere Wahl«, sagt der Konservator, ehe er mit Nachdruck hinzufügt: »Das stimmt doch? Nicht wahr?«
»Du musstest es tun«, sagt Beatriz, und ich stimme ihr zu.
Wir schieben den Sarg in den Lieferwagen und heben ihn dann in die Holzkiste, ehe wir auch ihn mit Luftpolsterfolie und Holzwolle polstern.
Ich versuche, nicht zu Hassan zu blicken. Aber er ist so groß, dass ihn mein Blick immer wieder streift.
»Keine Wahl«, murmelt der Konservator.
Die Flucht
1
Beatriz springt aus dem Laderaum, rennt um den Wagen herum und setzt sich hinter das Lenkrad. Der Konservator und ich müssen über Hassan klettern, um uns auf die Klappsitze hinter ihr setzen zu können. Ich bekomme Blut ans Knie.
Mit einer Fernbedienung öffnet Beatriz das Tor der Tiefgarage und beschleunigt zwischen den Reihen der geparkten Autos und Betonpfosten hindurch. Ein locker aufliegender Entwässerungsrost klappert laut, als wir darüberfahren. Erst jetzt fällt mir ein, dass ich die eine Krücke vergessen habe. Nun denn.
Die Reifen quietschen in jeder Kurve auf dem Boden der Tiefgarage. Sie muss kurz bremsen, bevor sie die steile, gerillte Rampe hinauffährt und in einen offenen Hinterhof gelangt, von dem aus wir in den Kiesweg einbiegen, der durch den Park führt.
»Wir liegen eine halbe Minute hinter unserem Zeitplan«, sagt der Konservator.
Beatriz gibt noch mehr Gas. Steine und Kies werden an den Boden des Wagens geschleudert.
»Merkwürdig«, sagt Beatriz.
»Was?«, fragt der Konservator.
»Wenn Hassan erkannt hat, was wir vorhaben, muss Esteban doch davon gewusst haben. Wo ist er? Warum hält er uns nicht zurück?«
Dieser Teil des Parks ist nicht so hell erleuchtet wie die anderen. Myriaden von Insekten blinken im Licht der Scheinwerfer. Beatriz fährt wie eine Wilde. Die dunklen Baumstämme rasen wie eine schwarze Wand an den Seitenscheiben vorbei. Ein kleines Tier – ein Kaninchen oder ein Eichhörnchen – hat sich auf den Weg verirrt und erstarrt in der tödlichen Umarmung der Scheinwerfer. Eine Sekunde bevor wir es niedermähen, wirft es sich zur Seite und verschwindet im Unterholz.
Beatriz umklammert das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten.
Zwischen den Bäumen erblicken wir die Beleuchtung des Parkplatzes hinter dem westlichen Tor und dem Wachhäuschen. Gemeinsam mit dem Konservator ziehe ich die Gardine zwischen Führerhäuschen und Laderaum zu.
Beatriz bremst und kurbelt die Scheibe herunter. Der Wachmann fragt sie lachend etwas. Ich schnappe das Wort »Coca-Cola« auf. Beatriz antwortet. Wieder lacht die Wache. Sie reden Spanisch, so dass ich sie nicht verstehe. Das doppelte Tor knirscht und klappert, als es von einem Motor geöffnet wird. Beatriz sagt noch einmal etwas und lacht.
» Sí, sí, sí !«, antwortet die Wache.
» Bueno, Carlos «, sagt Beatriz. » Buenas noches .«
Im gleichen Moment ertönt der Generalalarm.
Der Name ist wirklich passend. Der Lärm und das ganze Drumherum verleiten einen zu dem Glauben, der dritte Weltkrieg sei ausgebrochen. Eine Sirene, die wie eine Mischung aus einem Luftalarm und dem Horn eines Supertankers klingt, heult so laut auf, dass in der Dominikanischen Republik, in Haiti, Puerto Rico, Jamaica und dem südöstlichen Kuba vermutlich niemand mehr schlafen kann.
Durch das Heckfenster sehe ich den Miércolespalast samt Park in grellem Scheinwerferlicht baden. Er sieht aus wie ein Hotelkomplex in Dubai.
Die Tore kommen mit einem Seufzen zum Stillstand und beginnen sich dann wieder zu schließen.
Beatriz drückt das Gaspedal durch. Der Lieferwagen schießt nach vorn und bleibt zwischen den Torflügeln stecken, die sich kratzend gegen das Metall des Lieferwagens stemmen.
Der Wachmann hämmert frenetisch gegen die Hecktür. »Stopp! Que pasa? Stopp!«
Unter dem Kreischen von aufreißendem Metall löst sich der Wagen vom Tor. Wir
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