Der Pakt der Wächter: Roman
einer weiteren Treppe, die in die Halle vor der Bibliothek führt.
»Zuerst holen wir die Papyrusrollen! Von jetzt an müssen wir auf die Überwachungskameras achten«, sagt Beatriz. »Die Sicherheitsleute überwachen den Palast außen und innen über fünfundvierzig Kameras, die im Zehnsekundentakt Bilder an fünfzehn Monitore liefern.«
Ich bin nicht gerade ein Rechengenie. Aber nach Adam Riese sollte das heißen, dass jede Kameras jeweils zwanzig Sekunden Pause hat.
»Wir haben nicht viel Zeit«, unterstreicht der Konservator.
»Zwei Kameras überwachen die Bibliothek«, sagt Beatriz. »Die eine davon ist rechts oben unter der Decke platziert, die andere in der Mitte des Saals. Beide Kameras haben große tote Winkel. Folgt mir! Keiner rührt sich, ehe ich es sage.«
Das Gewölbe
1
Auf Beatriz’ Zeichen hin schlüpfen wir in die Bibliothek. Das heißt, Beatriz und der Konservator schlüpfen, während ich selbst auf meinen Krücken in den Raum hinke, über eine Teppichkante stolpere und mit der Schulter an den Türrahmen stoße, so dass die Manschette und der Handgriff der Krücke ans Holz knallen. Ich stöhne vor Schmerzen. Beatriz dreht sich um, gestikuliert wild und verdreht die Augen.
»Bis jetzt weiß noch niemand, dass ich euch aus der Zelle befreit habe«, weist sie mich leise zurecht. »Entdeckt uns jemand, ist es vorbei. Dann haben wir keine Chance, jemals zu entkommen.«
»Kapiert!«
Im toten Winkel unter der Deckenkamera pressen wir uns zwischen zwei Porzellankrügen an die Wand.
Als die Lampe der Kamera verlöscht, hasten wir weiter an den Regalen entlang bis in den nächsten toten Winkel der Bibliothek. Beatriz braucht zwei Anläufe zum Irisscanner und zum Codeschloss, um die Tür der Heiligen Bibliothek zu öffnen.
Ich höre weder einen Alarm noch laufende Schritte. Aber mein Herz hämmert so stark, dass man es bis Key West hören muss.
Wir schließen die Tür der Heiligen Bibliothek und pressen uns unter der Überwachungskamera an die Wand. Als die Kameralampe verlöscht, laufen Beatriz und der Konservator vor mir durch die Bibliothek.
Wir huschen in einen Seitengang bis zu einer mit Stahlriegeln verstärkten Tür, die in ein Gewölbe führt. Hier gibt es glücklicherweise keine Kamera.
Beatriz hält ihre Augen vor den Irisscanner, wartet darauf, dass die grüne Kontrolllampe aufleuchtet, und tippt zwei sechsstellige Codes ein. Jeder Tastendruck löst ein leises elektronisches Piepsen aus. Dann summt das Türschloss.
Als sie die schwere Stahltür zum Gewölbe öffnet, geht drinnen ein diffuses Licht an.
»Wenn Esteban kapiert hat, was ich in der letzten Zeit gemacht habe, merken wir das jetzt«, sagt sie.
Ich hinke in das Gewölbe.
Der Raum ist weiß und erinnert an einen Operationssaal. Alles ist kühl und steril. In einer Ecke rauscht eine Klimaanlage. Mitten im Raum steht ein Stahltisch mit dicken Glasplatten.
Beatriz tritt vor mir an den Tisch. Ich folge ihr hinkend. Die Gummifüße der Krücken quietschen auf dem Fliesenboden.
Unter den zentimeterdicken Glasplatten liegen sechs Papyrusrollen, flankiert von technischen Instrumenten, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit regeln.
An mehreren Stellen besteht der Papyrus nur noch aus morschen Fetzen.
»Das«, sagt Beatriz, »sind die Bücher Mose.«
Voller Ehrfurcht beuge ich mich über die Glasplatte und starre auf den Papyrus mit den nur schwach zu erkennenden, unverständlichen Schriftzeichen.
Der Konservator trommelt mit den Fingern auf die Glasplatte.
»Für den Vatikan ist es das Einfachste, die hier bewachen zu lassen, fernab all der Schnüffler und illoyalen Diener, die die Wahrheit ans Licht bringen könnten. Seit fünf Jahrhunderten bezahlt er fürstlich dafür, dass die Familie Rodriquez auf diese Rollen aufpasst.«
2
Während der Konservator und ich im Dunkel der Zelle über Moses diskutiert haben, hat Beatriz die antiken Rollen für den Transport vorbereitet.
Sie packt sie in exakt passende Seidenfutterale. Unter dem Stahltisch mit den dicken Glasplatten hat sie eine gepolsterte Aluminiumkiste mit sechs Spezialfächern versteckt. Vorsichtig schieben wir die sechs Rollen in die Hohlräume im Schaumstoff.
Die Aluminiumkiste ist so leicht, dass der Konservator sie allein tragen kann. Wir verlassen das Gewölbe, schließen die Tür und hasten weiter durch den Dienstboteneingang, der außerhalb des Röntgenblicks der Kameras liegt. Über eine Hintertreppe gehen wir wieder in den Keller. Dort ist das
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