Der Pakt
nicht glaubt, dass er von Stalins NKWD
umgebracht wurde.«
Ein Hauptmann an Elenas linker Seite war ebenfalls Pole. Er hörte mit und steuerte ein paar Kommentare bei, die zweifelsfrei bezeugten, dass Elena, entgegen meiner Bitte, längst allen alles erzählt hatte, was meinen Katyn-Bericht für FDR betraf.
»Sie hat Recht«, sagte er. »Es gibt in Nordafrika keinen einzigen Polen, der Stalin traut. Bitte teilen Sie das Roosevelt 353
mit, wenn Sie Ihren Bericht erstellen. Sagen Sie’s ihm, wenn Sie in Teheran sind.«
Ich zuckte die Achseln. »Da wissen Sie offenbar mehr als ich«, sagte ich.
»Dass die Konferenz der Großen Drei in Teheran stattfindet?«
Er lachte. Hauptmann Skomorowski war ein massiger Mann mit dunklem Haar und einer Nase, so spitz wie der Lieblingsbleistift eines Zeichners. Er nahm alle paar Minuten seine Brille ab und putzte sie. Er lachte wieder. »Das ist kein großes Geheimnis.«
»Nicht schwer zu erraten, warum«, sagte ich pointiert.
»Wirklich, Darling«, sagte Elena. » Jeder in Kairo weiß das mit Teheran.«
Elenas Oberst lachte verächtlich, als er meinen erstaunten Blick sah. Allmählich konnte ich ihn ebenso wenig leiden wie er mich.
»O ja«, sagte er. »Wir wissen alle von dem Treffen der Großen Drei in Teheran. Wo es übrigens ebenfalls jede Menge Polen gibt. Über zwanzigtausend, nur zu Ihrer Information. In Teheran leben so viele Polen unter so elenden Bedingungen, dass die Perser unser Volk schon bezichtigen, Typhus in der Stadt zu verbreiten. Stellen Sie sich das mal vor. Falls Sie das können.«
»Im Moment versuche ich mir noch vorzustellen, warum ein Oberst am Esstisch so freizügig mit solchen Informationen umgeht«, sagte ich steif. »Wissen Sie denn nicht, dass die Wände Ohren haben? Obwohl ich allmählich glaube, dass die Wände in Polen stattdessen Zungen haben.«
»Was wisst ihr Amerikaner schon von Polen?«, erwiderte er.
»Waren Sie überhaupt je in Polen?«
»Nach meinen letzten Informationen ist es voll von Deutschen.«
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»Nehmen wir mal an, das heißt nein.« Der Oberst schnaubte abschätzig und sah seine Mitoffiziere an. »Das macht ihn doch wirklich zum idealen Mann, um für den Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Bericht über Katyn zu erstellen. Noch so ein ignoranter Amerikaner, der keine Ahnung von Polen hat.«
»Wladislaw, das reicht«, sagte Elena.
»Jeder weiß doch, dass Roosevelt und Churchill Polen verraten werden.« Skomorowski blieb am Ball.
»Das können Sie doch wohl nicht ernsthaft glauben«, erklärte ich. »Großbritannien und Frankreich sind für Polen in den Krieg gezogen.«
»Mag sein«, sagte Oberst Pulnarowicz, und seine Augen flammten auf. »Aber werden es die Briten und die Franzosen sein, die die Deutschen aus Polen hinauswerfen? Oder werden das die Russen tun? Für uns gibt es keinen Unterschied zwischen den Russen und den Deutschen. Das ist es, was die Amerikaner einfach nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.
Niemand kann sich vorstellen, dass die Russen Polen je wieder hergeben, wenn die Rote Armee es erst einmal besetzt hat. Wird Roosevelt Stalin dazu bringen, Land zurückzugeben, für das die Rote Armee so viele Männer geopfert hat? Ich höre Stalin jetzt schon lachen.«
»Wenn der Krieg vorbei ist«, mischte sich ein dritter polnischer Offizier ein, »wird man feststellen, dass Stalin viel schlimmer war als Hitler. Hitler will nur die Juden ausrotten.
Stalin aber versucht, ganze Volksschichten zu eliminieren. Nicht nur die Bourgeoisie und den Adel, auch die Bauern. In der Ukraine sind Millionen gestorben. Vor die Wahl zwischen Hitler und Stalin gestellt, würde ich jederzeit Hitler nehmen. Stalin ist der Vater der Lügen. Verglichen mit ihm ist Hitler nur sein Lehrjunge.«
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»Roosevelt und Churchill werden uns verraten und verkaufen«, sagte Skomorowski. »Das ist es, wofür wir kämpfen. Zwei Messer im Rücken.«
»Ich glaube nicht, dass das stimmt«, sagte ich. »Ich kenne Franklin Roosevelt. Er ist ein anständiger, ehrenhafter Mann. Er ist nicht der Mensch, der irgendjemanden verrät oder verkauft.«
Aber meine Argumente kamen nicht gerade von Herzen. Ich konnte nicht umhin, an mein Gespräch mit dem Präsidenten über dieses Thema zu denken. Er hatte nicht gerade wie jemand geklungen, der sich in irgendeiner Weise moralisch verpflichtet fühlte, für die Interessen Polens einzutreten. Er hatte eher wie jemand geklungen, der Stalin unbedingt begütigen wollte, so ähnlich wie
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