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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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›Erzählt mir bloß nichts.‹ Ich kann einfach nichts für mich behalten. Ich bin nun mal eine unverbesserliche Klatschbase, schon seit meiner Schulzeit.
    Weißt du noch, was der kleine Doktor mal zu mir gesagt hat?«
    Ich wusste, sie meinte Joseph Goebbels, den wir beide in Berlin ganz gut gekannt hatten.
    »›Es gibt zwei Möglichkeiten, wie ich etwas in die Welt hinausposaunen kann‹«, sagte sie auf Deutsch und ahmte dabei perfekt Goebbels’ makelloses, professorales Hochdeutsch nach.
    »›Ich kann meiner Sekretärin im Leopold-Palais eine Verlautbarung auf den Schreibtisch legen. Oder ich kann Prinzessin Elena Pontiatowska etwas streng vertraulich erzählen.‹«
    Ich lachte. Ich erinnerte mich an die Situation, in der Goebbels das gesagt hatte, nicht zuletzt, weil ich in jener Nacht zum ersten Mal mit Elena geschlafen hatte. »Ja, genau. Ich erinnere mich.«
    »Manchmal vermisse ich ihn«, seufzte sie. »Ich glaube, er war der einzige Nazi, für den ich je etwas übrig hatte.«
    »Er war auf jeden Fall der cleverste Nazi, den ich je gekannt habe«, gab ich zu.
    Sie seufzte wieder. »Ich glaube, ich muss jetzt mal zu meinen anderen Gästen gehen.«
    351

    »Es ist deine Party.«
    »Du weißt nicht, wie das ist, Darling. Diese Art Truppenunterhaltung. Sie bilden sich alle ein, irgendwelche Chancen zu haben. Vor allem der Graf.«
    »Der Graf?«
    »Mein polnischer SOE-Oberst, Wladislaw Pulnarowicz.
    Karpaten-Schützenbrigade. Er wird dich wahrscheinlich zum Duell fordern, wenn er mich so mit dir reden sieht.«
    »Warum machst du’s dann? Diese Truppenunterhaltung.« Ich lachte. »Du liebe Güte, das klingt, als wärst du Bob Hope.
    Finanziert Pepsodent diese Party?«
    »Ich tue es natürlich zur Hebung der Moral. Die Moral ist den Briten sehr wichtig.« Sie stand auf. »Komm. Ich möchte dich mit ein paar Leuten bekannt machen.«
    Sie nahm mich wieder am Arm und führte mich zurück auf die Terrasse, wo mich jetzt mehrere britische und polnische Offiziere misstrauisch beäugten. Inzwischen waren auch andere Frauen auf der Party, aber ich beachtete sie gar nicht. Ich folgte Elena wie ein Hündchen über die Terrasse, während sie mich diesem und jenem vorstellte. Und ich brachte sie zum Lachen.
    Genau wie damals in Berlin.
    Schließlich gingen wir zum Essen nach drinnen. Ich saß zwischen Elena und ihrem polnischen Oberst, der nicht allzu erfreut schien, dass ich seinen Platz an Elenas rechter Seite besetzt hatte. Er war ein auffallend attraktiver Mann mit dunklem Haar, energischem Kinn, einem Fairbanks-Bärtchen und einer wunderschönen Stimme, die unter dem scharf riechenden Knaster, aus dem er seine ordentlichen kleinen Zigaretten drehte, nicht weiter gelitten zu haben schien. Ich lächelte ihn ein paarmal an und versuchte sogar, wenn ich gerade nicht mit Elena sprach, ein bisschen Konversation zu machen. Der Oberst antwortete meistens einsilbig und ein-, zweimal auch gar nicht. Er säbelte einfach nur an einem Stück 352

    Huhn herum, als wäre es die Kehle eines Deutschen. Oder meine. Er war übrigens nicht der einzige Pole an der Tafel, nur der unfreundlichste. Im Ganzen waren achtzehn Gäste da, von denen noch mindestens fünf weitere Offiziere die Schulterstücke der polnischen Armee trugen. Sie waren weit gesprächiger.
    Nicht zuletzt, weil Elena über unerschöpfliche Vorräte an exzellenten Weinen und Spirituosen zu verfügen schien. Es gab sogar Wodka aus der berühmten polnischen Brennerei Lancut.
    Gegen Ende des Mahls zündete ich Elena und mir Zigaretten an und fragte sie dann, wieso es in Ägypten so viele Polen gab.

»Nachdem die Russen in Polen einmarschiert sind«, sagte sie,
    »wurden viele Polen in die südlichen Sowjetrepubliken deportiert. Als dann die Deutschen Russland angegriffen hatten, ließen die Russen viele Polen im Iran und im Irak frei. Die meisten schlossen sich der polnischen Armee General Anders’
    an, um gegen die Nazis zu kämpfen. Hier in Nordafrika standen die polnischen Truppen unter dem Oberbefehl von General Sikorski. Aber wie du ja weißt, ist das Verhältnis zwischen den Polen und den Russen jäh umgekippt, als die Leichen im Wald bei Katyn entdeckt wurden.
    Sikorski verlangte, dass das Rote Kreuz die Gräber untersuchen solle. Daraufhin hat Stalin alle Beziehungen zur polnischen Armee abgebrochen. Vor ein paar Monaten ist Sikorski bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Ein Unfall, hieß es. Aber es gibt in ganz Nordafrika und Ägypten keinen Polen, der

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