Der Palast
Mann einen Fehler eingestand. »Es tut mir Leid. Bitte vergib mir.«
Sie hätte es auch niemals für möglich gehalten, dass er um Verzeihung bitten oder gar betteln würde. Doch jetzt umklammerte er tatsächlich in einer flehenden Geste Hoshinas Schultern. Hoshina ergriff die Hände des Kammerherrn und löste sich von ihm.
»Ihr macht alles nur noch schlimmer«, sagte er mit atemloser, bebender Stimme.
Der Kammerherr musterte ihn. »Haben unsere drei gemeinsamen Jahre dir so wenig bedeutet, dass du mir die Chance verweigerst, Abbitte zu leisten?«, fragte er.
Hoshina verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Wenn sie Euch mehr bedeutet hätten, müssten wir dieses Gespräch nicht führen, nicht wahr?«
Sie starrten einander hilflos an. Fürstin Yanagisawa sah die Tränen, die in den Augen beider Männer schimmerten, und ihre mühsame Beherrschung, ihrer Begierde nicht nachzugeben. Schließlich räusperte der Kammerherr sich und sagte: »Vielleicht ist eine Trennung gar kein so schlechter Gedanke. Nimm dir Zeit, um dich von den Qualen zu erholen. Komm zurück, wenn du bereit bist.«
Hoshina schüttelte den Kopf. »Ich sage lieber heute Lebewohl, solange wir mehr gute als schlechte Erinnerungen teilen. Ich möchte nicht warten, bis es ein böses Ende nimmt.«
Als er sich zum Gehen wandte, rief der Kammerherr: »Ich verbiete dir zu gehen!« Seine verletzte Eitelkeit und Verzweiflung entfachten seine Wut. »Ich befehle dir zu bleiben!«
Hoshina wirbelte herum. »Ich bin nicht mehr Euer Mann«, sagte er trotzig. »Ihr habt mir nicht mehr zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.«
»Solange ich über Japan herrsche, hast du meine Befehle zu befolgen«, sagte der Kammerherr spöttisch. »Vergiss nicht, dass alles, was du hast, von mir abhängt. Wenn du dieses Haus verlässt, verlierst du alles.«
Fürstin Yanagisawa wunderte sich, dass der unterschwellige Groll in der Beziehung zwischen ihrem Gemahl und Hoshina plötzlich hervorbrach und dass ihre Liebe sich in Hass verwandelte.
Hoshina erwiderte in ebenfalls spöttischem Tonfall: »Ich habe nicht so viel zu verlieren, wie Ihr vielleicht glaubt, denn Ihr habt nicht mehr so viel Macht wie einst. Es hat sich eine Menge verändert, falls Ihr es noch nicht bemerkt haben solltet.
Während Ihr Fürstin Keisho-in gerettet habt, wurde der Shōgun Eures Sohnes überdrüssig. Die Position eines Erben des Regimes ist daher wieder frei. Den Gerüchten nach soll der Neffe von Fürst Matsudaira gute Chancen haben. Und ich habe die daimyo und Heeresoffiziere besucht, mit denen ich mich angefreundet habe, während ich Euch half, Eure Macht auszubauen. Sie sind jetzt meine Verbündeten. Und da Ihr mich verraten habt, werde ich sie überzeugen, dass wir uns der Partei von Fürst Matsudaira anschließen sollten.«
Der Gedanke, dass er nicht nur seinen Liebhaber, sondern auch den Partner seiner politischen Intrigen sowie viele seiner Anhänger verloren hatte und keine Chance mehr besaß, im neuen Regime ein Regierungsamt zu bekleiden, ließ den Kammerherrn vor Schreck erblassen. »Du willst Gleiches mit Gleichem vergelten?«, fragte er. »Damit kommst du nicht durch! Du wirst deinen Verrat bitter bereuen!«
Hoshinas selbstsicheres Grinsen konnte seine Furcht nicht verbergen. »Wir werden sehen«, sagte er und ging davon.
Der Kammerherr starrte ihm einen Moment hinterher. Dann beugte er sich über das Geländer der Veranda und schlug die Hände vors Gesicht. Fürstin Yanagisawa hatte Mitleid mit ihrem Gemahl, doch insgeheim frohlockte sie, denn seine Probleme boten ihr eine neue Chance. Seines Geliebten beraubt und von seinen Freunden im Stich gelassen, brauchte er irgendeinen Menschen. Und wer konnte ihm mehr Loyalität und Treue schenken als sie?
Fürstin Yanagisawa trat hinter dem Baum hervor und zog Kikuko hinter sich her. Als der Kammerherr den Kopf hob, trafen ihre Blicke sich. Er schien wütend zu sein, dass sie Zeugin seiner Niederlage geworden war, aber immerhin nahm er sie zur Kenntnis. Diesmal tat er nicht so, als würde sie nicht existieren. Dieses wunderbare Ereignis kennzeichnete einen Neubeginn. Fürstin Yanagisawa wusste nicht, wie sie Hoshina im Gefühlsleben ihres Gemahls ersetzen oder ihm helfen konnte, seinen Ehrgeiz zu befriedigen, doch sie schwor sich, dass es gelingen würde.
Eines Tages würde er sie lieben und schätzen. Eines Tages würde er über Japan herrschen – mit ihr an seiner Seite. Und wenn dieser Tag anbrach, gab es nie mehr einen
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