Der Papalagi
1915 erhielt er dann endlich die Erlaubnis, nach Amerika auszureisen. Einen Monat später befand er sich an Bord der »Ventura«, in Richtung Amerika.
Nach fünftägiger Seereise fuhr das Schiff im Hafen von San Francisco ein. Er bestieg den Zug nach New York, wohin sein Gepäck unter Zollverschluß gesandt worden war. Amerika mußte für ihn wie ein Alptraum gewesen sein. Aus der Stille der Südsee zurück in die »Zivilisation« – kein Wunder daß Erich Scheurmann ob jeder Autohupe zusammenzuckte, sich scheute, die verkehrsreichen Straßen zu überqueren. In New York wandte er sich unverzüglich an den Adjudanten des derzeitigen Gouverneurs von Samoa, Edwald Hecker, mit der Bitte, ihm zur Heimreise nach Deutschland zu verhelfen. Dieser mußte ihm jedoch abschlägigen Bescheid geben. Eine Unmöglichkeit, nach dem Kriegsschauplatz Europa auszureisen. Doch Edwald Hecker offerierte Erich Scheurmann spontan eine Stelle als Werberedner für das Deutsche Rote Kreuz. Nach langem Zögern willigte Scheurmann ein. Seine erste Rede hielt er in der Deutsch-Presbyterischen Kirche in Mount Clare. Der Erfolg war umwerfend. Jeder deutsche Verein an der Ostküste lud ihn ein. Man war von seinen Südseegeschichten begeistert. In diesen stürmischen Tagen beschloß Scheurmann, wieder zu schreiben. Der »Papalagi« entstand. Mitten in seinem Schaffen erreicht ihn ein Telegramm: Seine in Deutschland zurückgebliebene Frau war in Amerika angekommen. Gemeinsam wurden nun Pläne für die Rückkehr nach Deutschland gemacht. Endlich, nach unzähligen Bittschriften ließ man das Ehepaar am 7. März 1918 das Schiff »Bergensfjord« nach Europa besteigen.
Die Ankunft in der Heimat war enttäuschend. Nach schikanösen Zollformalitäten, das Ehepaar wurde sogar wegen »Spionage« für eine Nacht festgehalten, konnten sie endlich auf ihre geliebte Halbinsel Höri heimkehren.
Als 1920 das Buch »Der Papalagi« erschien, fanden viele Menschen, vor allem junge, ihren Weg nach Höri. Sie alle hatten den Papalagi gelesen, oder zumindestens von ihm gehört und wollten nun mehr über dieses Paradies der Südsee von Erich Scheurmann erfahren.
Doch begann in diesen Tagen ein weiterer Schicksalsschlag sich abzuzeichnen. Die Ehe der Scheurmanns begann sich auseinanderzuleben. Und wie Erich Scheurmann nach einer mehrmonatigen Reise von Fünen nach Basel wieder nach Hause zurückkehrte, fand er in seinem Haus fremde Leute vor. Seine Frau hatte ihn verlassen, das Haus veräußert und war zusammen mit einem Freund aus dem Nachbardorf nach Ungarn geflüchtet.
In dieser für ihn sicher schmerzlichen Zeit lernte er eine junge Frau kennen, der er sein Herz ausschütten konnte. Aus langen Gesprächen entwickelte sich ein inniges Verhältnis und die beiden beschlossen zu heiraten. Zusammen zogen sie in die Heimat seiner Eltern und bauten auf einem Stück Land, welches ihm ein Freund einst geschenkt hatte, ein Haus.
Erich Scheurmann begann wieder zu malen. Seine Bücher brachten ihm mittlerweile keine großen Einnahmen mehr, die Zeit des Wandervogels war vorbei und in Deutschland wurde die Marschmusik modern. Ein neues Zeitalter brach an. Der 2. Weltkrieg kam und Erich Scheurmann wurde kriegsdienstverpflichtet. Man betraute ihn mit der Leitung einer einklassigen Volksschule. Diese Verpflichtung zwang das Ehepaar und die sechs Kinder, die mittlerweile auf die Welt gekommen waren, ihr Häuschen zu verkaufen. Auch seine Frau wurde als Lehrerin verpflichtet und so unterrichteten sie zusammen insgesamt fünf Dorfschulen. Außerdem nahmen sie zusätzlich noch drei Pflegekinder auf.
Kriegsende. Der Zusammenbruch und die Währungsreform machen die Scheurmanns auf einen Schlag wieder zu armen Leuten. Erich Scheurmann mußte seine Malerei, mit der er seine Familie ernähren konnte, aufgeben. Das Geld für Farbe und Leinwand fehlte, die künstlerische Besessenheit des jungen Erich Scheurmann war verschwunden. Seine Frau fand eine Anstellung in einer Kleiderfabrik und scheute den täglichen Arbeitsweg von 24 km für einen kärglichen Lohn nicht. In diesen Tagen geriet Erich Scheurmann in tiefes Nachdenken über das politische Geschehen in Deutschland. Er schrieb einen Aufruf zur Selbstbesinnung unter dem Titel »Wo ist Deutschland?«. Er zeigte in diesem Werk, wie das »Volk der Dichter und Denker« immer mehr von seinem ursprünglichen Weg abgekommen war und mahnte zur Besinnung. Endlich erhielt er wieder eine Anstellung als Lehrer. Eine befreundete Baronin hatte
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