Der Papstkäufer
Augsburger Handelshaus ging ihn sein eigener Vater um Geld an. »Mein lieber Sohn, du musst mir aushelfen. Mein Geld, das ich mir für meinen Lebensabend erspart und beiseite geschafft habe, ist fort.«
»Fort, wie meint Ihr das? Gestohlen?«, fragte der verwunderte Johannes.
»Nein, ausgegeben. Du hast die Teuerung vor zwei Jahren noch nicht mit eigenem Geld miterleben müssen. Die hat mich einiges gekostet. Meine Chronik bringt mir nicht genug ein. Und ich leb’ schon viel länger als erwartet.«
Damit lag er fraglos richtig; Burkhard Zink ging auf die achtzig Jahre zu, ein selten gesehenes Alter. Johannes Zink lieh ihm das benötigte Geld, jedoch nicht, ohne sich einen Schuldschein unterschreiben zu lassen. Als sein Vater einige Monate später im Sterben lag, rief er ihn ans Totenbett.
»Nun, mein lieber Johannes, ich kann dir meine Schulden leider nicht zurückzahlen. Bitte vergib mir und, nach guter Kaufmannssitte, lass mich nicht als Schuldner sterben und erlasse mir meine Schuld.«
Johannes wollte selbstverständlich zustimmen, da fuhr sein Vater fort:
»Eines muss ich dir noch gestehen, bevor ich diese Welt verlasse: Deine Mutter ist nicht tot; ich habe sie nur fortgejagt, weil sie so ein böses Weib war. Vermutlich lebt sie in Nürnberg. Und denkt, ich sei schon lange tot.«
Zornig wurde er da, der Johannes.
»Warum sagt Ihr mir das erst jetzt?«
»Ich sage dir doch, sie war ein böses Weib. Warum hätte sie dich besser behandeln sollen als mich. Sei froh drum, dass du sie nie gesehen hast.«
Froh war der aber nicht und beschloss sogleich, sie sofort nach dem Tod des Vaters zu suchen. Zu seinem Vater gewandt, sagte er:
»Hättest du dein Geheimnis besser mit ins Grab genommen. Nun habe ich keinen Frieden mehr, bis ich sie gefunden habe. Daher gönne ich auch dir keinen Frieden und erlasse dir deine Schuld nicht. Mögest du dafür im Fegefeuer schmoren, bis deine Schulden getilgt sind.« So starb sein Vater zwar äußerlich friedlich und schmerzlos als alter Mann, aber innerlich gebrochen. Nach Burkhard Zinks Tod musste der Sohn sogar noch für einige andere Schulden seines Vaters geradestehen. Nun war es endgültig vorbei damit für Johannes Zink, von seinem Vater und dessen Lebenswerk beeindruckt zu sein.
»Wenn so ein tüchtiger Mann sein Leben lang hart arbeitet, allzeit ein ehrlicher Kaufmann ist und doch am Ende seines Lebens mit leeren Taschen in den Himmel fährt, dann ist was faul dran.«
Noch ein weiteres Jahr nach dem Ableben seines Vaters arbeitete er für einen kleinen, aber immer pünktlich bezahlten Lohn, zur größten Zufriedenheit seines Brotgebers. Ausbildung und Arbeit bei einem Kaufmann hatten den großen Vorteil, dass viel weniger gezüchtigt wurde als in den groben Handwerksberufen. Regelmäßig wurden Lehrlinge im Maurer-, Zimmerer- oder Weberhandwerk von ihren Meistern an den Rand des Todes geprügelt. Auch wenn die Strafen für die Meister mittlerweile drakonisch waren, um die Todesfälle in Grenzen zu halten. Beim Meuting wurde hingegen überhaupt nicht geschlagen.
Zinks Sparstrumpf schwoll langsam, aber beständig an. Er war genügsam, lebte im Haus in der Judengasse, das er geerbt hatte, und konnte immer ein wenig Geld zurücklegen. Sogar eine weitere kritische Teuerung überstand er ohne finanzielle Blessuren. Nebenbei studierte er noch Juristerei und hatte kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag seinen Magister in der Tasche. Meuting beförderte ihn sogleich.
Als Anerkennung seiner besonderen Fähigkeiten wurde er zum Vermögensverwalter – Prokurator– des Klosters Frauenchiemsee ernannt.
Dann aber kam – aus heiterem Himmel – ein Angebot von der am schnellsten wachsenden Firma Augsburgs: Der Firma der Fugger von der Lilie! Als sich die unverhoffte Möglichkeit ergab, für diese erfolgreichen Emporkömmlinge zu arbeiten, hatte Zink schon lange beschlossen, nicht als ehrlicher Kaufmann reich zu werden. Da gab es sicher andere Möglichkeiten.
Bereits im nächsten Winter begann Johannes Zink im Augsburger Fuggerkontor mit seiner Arbeit. Schon rein äußerlich waren die Unterschiede nicht zu übersehen. Meutings Kontor war klein, vollgestopft mit Kladden und Truhen, bei den Fuggern herrschte penible Ordnung sowie, im Gegensatz zu Meuting, ausreichend Licht zum Lesen und Schreiben. Hier wurde nicht an Kerzen gespart, die die Fugger aus Italien kommen ließen. Bei Meuting arbeitete man noch beim Licht von funzeligen, harzgetränkten Kienspänen. Für die
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