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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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völlig vergessen. Auf
mich selbst gestellt, bediente ich mich von dem Cutty Sark, ohne vorher
die Genehmigung des Hausherrn einzuholen, zündete mir eine Pfeife an und sah
zum Fenster hinaus. Die Vögel zwitscherten nach wie vor. Ein leichter Wind war
aufgekommen und ließ den Wald rauschen. Hin und wieder wurden das Quaken eines
einsamen Froschs sowie die Gerüche der Pflanzenwelt zu uns herangetragen. Die
Sonne war so gut wie verschwunden. Ein verspäteter Strahl drang durch die
Zweige und liebkoste den Sand und den Kies; Baumaterial, das nun nicht mehr
benötigt werden würde. Mit Einbruch der Dunkelheit breitete sich Melancholie
über dem Park aus. Ich fragte mich, warum dieser Ort «Villa Mogador» hieß. Die
Frage schien mir wichtig zu sein. In Wirklichkeit war sie es jedoch nicht. Das
sollte ich später herausfinden, als ich meine Neugier befriedigte. Das Anwesen
hatte nämlich früher einmal Céleste Mogador gehört, der berühmten Hetäre des
romantischen Zeitalters.
    Monsieur Buard beendete seinen kilometerlangen
Rundlauf im geschlossenen Raum und riß mich aus meinen Träumen.
    «Das Ganze ist mir verflixt unangenehm», sagte
er mit kurzatmiger Stimme. «Ich lege keinen Wert darauf, daß mein Name in der
Rubrik in der Zeitung erscheint. Unter keinen Umständen!
Die Leute machen gleich eine Affäre daraus, und Sie ahnen ja gar nicht, wie
empfindlich man in Finanzkreisen auf so etwas reagiert! Also, was raten Sie
mir? Ja, ja, ich weiß...»
    Er hob abwehrend die Hand.
    «...Sie wundern sich über meine Frage.»
    Nun ja, ein wenig schon. Ich hatte ihn für einen
Mann gehalten, der seine Entscheidungen trifft, ohne irgend jemanden nach
seiner Meinung zu fragen. Allerdings hatte der Autounfall seiner Patentochter
seinen gewohnten Schwung wohl ein wenig gebremst.
    «Sie sagen sich bestimmt», fuhr er fort, «daß
ich nur zum Telefon zu greifen und irgendeinen hohen Beamten in der Präfektur
oder im Innenministerium zu bitten brauche, den Eifer seiner Untergebenen zu
stoppen, falls... Sicher! Im Augenblick halte ich es jedoch für klüger, nicht
in Erscheinung zu treten. Trotz Ihrer Vermutungen — vielleicht ja nur die
Früchte einer Art Berufskrankheit — könnte es sich schließlich doch nur um einen
simplen Unfall handeln, von dem man morgen nicht mehr sprechen wird. Wenn es
aber tatsächlich Mord war... Um zu intervenieren, müßte ich wissen... Hören
Sie, Burma...»
    Er richtete seine Augen mit den dunklen Ringen
auf mich. «Eben habe ich Sie um Rat gebeten. Ich glaube, ich brauche ihn nicht.
Ich weiß, was zu tun ist. Verfolgen Sie die Sache aus der Nähe, damit ich
nötigenfalls eingreifen kann. Sie sollen keine eigenen Ermittlungen führen,
sondern nur die amtlichen Ermittlungen des Falls beobachten. Ich nehme an, Sie
haben ebenfalls Beziehungen zur Polizei. Zumindest kennen Sie bereits den
Inspektor, der mit den Ermittlungen begonnen hat.»
    «Mein Gott!» rief ich. «Ich glaube nicht, daß
der Inspektor — Polizeioffizier, wie es neuerdings, Flic, wie es im Volksmund,
und Rosetti, wie der Mann im Leben heißt — , daß dieser Rosetti bereit ist,
mich in die laufenden Ermittlungen einzuweihen. Aber ich kann ihm zufällig über
den Weg laufen und ihn auszuhorchen versuchen, ohne daß er auf krumme Gedanken
kommt. Schließlich bin ich es, der über die Leiche gestolpert ist, und Neugier
gehört zu den Tugenden meines Berufs. Es dürfte nicht ungewöhnlich erscheinen,
wenn ich mich für die Ermittlungen interessiere.»
    «Eben, genau! Verstehen Sie, ich möchte gern
wissen, woran ich bin.»
    Er kippte einen letzten Whisky, um unser
Einverständnis zu feiern. Dann, nach einem kurzen, inneren Kampf, wie mir
schien, zückte er seine Brieftasche, entnahm ihr widerstrebend ein paar
Banknoten und hielt sie mir hin.
    «Ich erteile Ihnen zwar keinen richtigen
Auftrag», sagte er, «aber jede Mühe muß belohnt werden.»
    Ich nahm das Geld, bevor er es sich anders
überlegte. Ich weiß nicht, warum, aber ich traute ihm einen solchen
Gesinnungswandel zu. Ob er nun vor Geld stank oder nicht, er ließ es wohl nur
an einem Gummiband los (unter der Bedingung, daß dieses Band nicht zu teuer
war!). Nur sein Geiz — nicht seine angebliche Vorliebe fürs Originelle — konnte
den Wildwuchs in seinem Park erklären. Es sei denn, er war nicht so reich, wie
ich es annahm. Für den Augenblick konnte mir das egal sein.
    «Gut», sagte er und schielte auf seine
Armbanduhr, «wir sind uns also einig, nicht

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