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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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nämlich keine Lust, was aufs Maul zu kriegen!»
    Bestimmt hatte er keine Lust dazu, aber genau
das sollte ihm um ein Haar passieren. Im selben Augenblick fuhren zwei Mopeds
vorbei. Unsere Versammlung zog die Aufmerksamkeit der Fahrer auf sich. Sie
hielten an und stiegen ab. Einer trug eine Schirmmütze und einen weißen
Schnurrbart à la Marschall Pétain. Er sah aus wie ein Bauer, dem man Manieren
beigebracht hatte. Der andere war ein proletenhafter Typ, halb Städter, halb
Bauer, ungefähr fünfundzwanzig, kräftig, sonnenverbrannt, mit einem Cowboyhemd,
das über seiner behaarten Brust offenstand. Als er den triefenden Hundekadaver
erblickte, fluchte er, was das Zeug hielt, und war nahe daran, loszuheulen.
    «Brillenschlange!»
    Sein Blick wurde plötzlich finster und wanderte
von einem zum andern. Auf dem Siebzehnjährigen blieb er hängen, dem Jungen, der
um sein Aussehen fürchtete und mit schuldbewußtem, angsterfülltem Gesicht zum
Unterholz hinschielte,
    «Du Mistkerl!» schrie der Cowboy aus
Seine-et-Marne. «Das warst du, stimmt’s? Du warst das!»
    Schnell wie der Blitz stürzte er sich auf den
Jungen, packte ihn im Genick und fing an, ihn zu schütteln. Der feine Bauer mit
dem Schnurrbart und ich gingen dazwischen. In dem Handgemenge hätte ich beinahe
was draufgekriegt. Schließlich beruhigte sich der Prolo — Robert, der trauernde
Hinterbliebene — wieder und war bereit, sich die Erklärungen der Jungen anzuhören.
    «Verflucht!» knurrte er dann kopfschüttelnd und
fäusteballend. «Wenn ich den Schweinehund erwische, der mir das angetan hat!
Den bringe ich um!»
    Er fixierte mich. Ich hatte ihn soeben
überwältigen können, und das war sicherlich nicht nach seinem Geschmack. Oder
aber er hatte mich in Verdacht...
    «Ich habe nichts damit zu tun», verkündete ich
vorsichtshalber.
    «Hab ich das gesagt?» gab er giftig zurück.
    «Sah ganz so aus.»
    «Hm...»
    Er sah auf das Nummernschild meines Wagens.
    «Sind nicht von hier, was? Aus Paris, was? Einer
von den feinen Herren aus Paris, was?»
    «Red keinen Quatsch, Robert», beruhigte ihn der
mit dem Schnurrbart. «Du hast an Brillenschlange gehangen. Gut. Du bist
traurig, daß du ihn verloren hast. Gut. Vor allem darüber, was man mit ihm
gemacht hat. Völlig klar, daß er sich nicht selbst in dem Tümpel ersäuft hat.
Aber, Scheiße noch mal, das ist doch kein Grund, sich mit dem Herrn da
anzulegen!»
    «Ja, ja», fuhr der andere unbeirrt fort, ohne
seinen Blick von mir abzuwenden. «Diese feinen Herren! Die können ja nicht
wissen, wie unsereins an einem Tier hängt!»
    «Doch, können sie, Robert. Reg dich doch nicht
so auf. Du wirst einen neuen finden, so wie du den da gefunden hast.»
    «Verdammt noch mal!» schnauzte mich Robert an.
Wenn Blicke töten könnten! «Sind bestimmt ‘n Freund von dem Schloßherrn... Würd
mich nicht wundern.»
    «Anscheinend mögen Sie keine Schloßherren»,
bemerkte ich.
    «Nein, ich mag keine Schloßherren.»
    «Hört auf mit dem Klassenkampf», mischte sich
der Ältere wieder ein, wahrscheinlich wegen seines Pétain-Schnurrbarts. «Los,
komm, Robert!»
    «Nein, ich komm nicht! Ich sag dir, der Kerl ist
‘n Freund von Buard.»
    «Und wenn’s so wäre?» fragte ich.
    «Siehst du, ich hatte recht! So was seh ich
sofort. Sie sind also ‘n Kumpel von dem Blutsauger, ja? Dann sagen Sie ihm,
wenn Sie ihn sehen, er soll sich bloß in acht nehmen! Wenn er meinen Hund
ersäuft hat, kann er mich kennenlernen!»
    «Red keinen Quatsch, Robert», wiederholte der
Ältere, dessen zitternde Schnurrbarthaare anzeigten, daß er von dem Zirkus so
langsam die Nase voll hatte. «Du bist außer dir vor Schmerz, wie man so schön
sagt. Erst wolltest du Jules verprügeln, und jetzt verdächtigst du Monsieur
Buard... Dummes Zeug! Warum sollte sich Monsieur Buard an Brillenschlange
vergriffen haben?»
    «Er mag keine Hunde. Hat nie welche gehabt.»
    «Ja, und? So was würde ich ein kühnes Urteil
nennen, mein Lieber! Brillenschlange ist dem Monsieur Buard scheißegal! Der hat
andere Sorgen, zum Beispiel mit seinem Fräulein! Hab gehört, die hat sich das
Näschen demoliert, mit ihrem Auto...»
    «Die soll ruhig auch krepieren!» brüllte Robert.
«O verdammt, Scheiße...»
    Er verzog das Gesicht, und Tränen hingen an
seinen Wimpern. Wenigstens hielt er jetzt die Klappe. Er beugte sich über den
Hundekadaver, hob ihn sachte auf, so als wäre es die Leiche eines geliebten
Kindes, und trug ihn zu seinem Moped, um ihn auf dem

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