Der Pate von Bombay
kampflustig vorgewölbten Bauches unter der leuchtend weißen Kurta auf dem größten der Bilder war Sartaj davon überzeugt. Er war ein Mann, und er hatte Frauen. Sartaj genoß seit langem einen Ruf als Polizist für die Damen, und er hatte niemandem gesagt, daß er sein Liebesleben aufgegeben hatte. Kamble, Katekar und die anderen auf dem Revier trumpften mit Sexgeschichten auf, in denen ein munteres Auf und Ab von Chut und Khadda 328 herrschte, von Tope 640 und Dana 146 . Und Mausambis 410 , ja, Mausambis hatte die, so rund und süß, daß einem die Tränen kamen. Mausambis, Granatäpfel, Dudh-ki-tanki 182 , Kokosnüsse. Vielleicht bin ich der einzige, dachte Sartaj, der von stummem Sex erzählen kann, von fernem Sex, schmerzhaftem Sex, fadem Sex, bedrohlichem Sex, abgebrochenem Sex, quälend düsterem, bitterem, einsamem Sex. Sex. Was für ein Wort. Was für eine Sache.
Der Tee und der Vater kamen gleichzeitig; Kaushalyas Mann folgte dem barfüßigen kleinen Jungen, der die Teetassen in einem speziellen Drahtkorb hereinbrachte, auf den Fersen. Der Junge sah Sartaj fragend an, und nachdem Sartaj genickt hatte, reichte er ihm mit professionellem Schwung den Tee. »Biskoot?« fragte er und hielt eine Packung Parle Glucose hoch. Sartaj kramte nach einer Fünf-Rupien-Münze, und als sie ihm herunterfiel, hob der Junge sie mit den Zehen des rechten Fußes auf und beförderte sie mit einer geschmeidigen Tanzbewegung, bei der sein Schienbein waagerecht über dem Boden schwebte, in seine linke Hand. Sartaj gab ihm dafür noch fünf Rupien Trinkgeld, und der Junge grinste und verschwand.
Kaushalya war wieder aufgetaucht, gefolgt von dem alten Mann. Sartaj schritt zwischen ihr und ihrem Mann auf und ab, trank von seinem Tee und sagte: »Wie heißen Sie?«
»Birendra Prasad.«
»Sie produzieren also Süßigkeiten?«
»Ja, Saab, Cham-cham burfi und Pedas. Wir beliefern Restaurants und Geschäfte.«
»Gehört Ihnen die Fabrik?«
»Ja, Saab.«
»Und Ihre Söhne arbeiten auch dort?«
»Manchmal, Saab. Sie lernen noch.«
»Das ist gut.«
»Ja, Saab. Ich möchte, daß sie weiterkommen. Ohne Bildung bringt man es in der heutigen Welt zu nichts.«
Birendra Prasad kannte die Welt, soviel war klar. Heute trug er keine weiße Kurta, sondern ein grünes Hemd und schwarze Hosen, und mit seiner stämmigen Figur paßte er gut zu seiner Frau. Er war ein robuster, energischer Mann, und es gefiel ihm nicht, daß die Polizei in seinem Haus war, aber er gab sich Mühe, ruhig und höflich zu bleiben. Seine Tochter hielt sich hinten an seinem Hemd fest und funkelte Sartaj böse an. Es waren jetzt ziemlich viele Leute in dem kleinen Raum, und Sartaj sah den Schweiß an Birendra Prasads Hals herabrinnen. Er zeigte grinsend die Zähne und nahm noch einen Schluck Tee.
»Saab«, sagte Birendra Prasad.
Katekar ging um ihn herum und blieb links hinter ihm stehen. Das machte den Süßigkeiten-Mann sichtlich nervös: Seine Augen zuckten nach links und wieder zurück und wieder nach links. »Waren Sie schon mal im Gefängnis, Birendra Prasad?« fragte Sartaj.
»Ja, vor langer Zeit.«
»Weswegen?«
»Wegen nichts, Saab, ein Mißverständnis ...«
»Wegen eines Mißverständnisses waren Sie im Gefängnis?«
Katekar baute sich dicht neben Prasad auf. »Saab hat Sie was gefragt«, sagte er ganz leise.
Das Mädchen weinte jetzt.
»Ich war ein Jahr drin«, sagte der Vater. »Wegen Diebstahls.«
Sartaj stellte seine Tasse auf den Stuhl und trat nahe an Birendra Prasad heran. »Ihre Söhne kommen auch ins Gefängnis.«
»Meine Söhne, Saab? Wieso?«
»Wissen Sie, was sie hier in der Gegend machen? Wissen Sie, wie sie sich Frauen gegenüber benehmen?«
»Das stimmt nicht, Saab.«
Katekar legte dem Mann die Hand auf die Schulter und versetzte ihm einen leichten Stoß. »Soll das heißen, Saab sagt nicht die Wahrheit?«
»Die Leute verbreiten alle möglichen Gerüchte, und die beiden sind doch noch Kinder. Aber ...«
»Sie schicken mir Ihre Jungen morgen aufs Revier«, sagte Sartaj. »Um vier. Sonst komme ich wieder, nicht nur hierher, sondern auch in Ihre Fabrik. Und Ihre Söhne bringe ich hinter Gitter.«
»Ich weiß, wer dahintersteckt, Saab.«
Sartaj beugte sich zu ihm vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Diskutieren Sie nicht mit mir, Gaandu. Oder wollen Sie, daß ich Ihnen hier vor Ihrer Familie Ihre Izzat nehme, Ihre Ehre? Vor Ihrer Tochter?«
Darauf wußte Birendra Prasad keine Antwort.
Katekar stieß ihn gegen die Schulter, und
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