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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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der dritten Tasse Tee, waren ihr die Fragen über Ärgernisse in Bars ausgegangen, und es mußte zwangsläufig etwas anderes passieren. Verlegen hatten sie sich voneinander verabschiedet, und diesmal hatte sie ihm nicht die Hand zu einem kräftigen Händedruck aus der Schulter heraus gereicht. Zehn Tage später hatte sie ihn angerufen, sie waren am Chowpatty spazierengegangen, und ihre Hände hatten sich gestreift. Er fand sie nicht unbedingt hübsch, aber er konnte sich nicht zurückhalten, konnte den Impuls nicht unterdrücken, ihr unter ihrem weiten, langärmeligen Hemd die Hand ins Kreuz zu legen. Vier Monate lang hatten sie einmal in der Woche Sex gehabt, immer nachmittags in PSI Kambles Zimmer in Andheri East. »Ghochi 226 karo, Boß«, hatte Kamble jedesmal gesagt - Sex haben, Liebe machen, was auch immer. Sartaj hatte sich danach meist gefährlich allein gefühlt, mit einem unlösbaren Knoten in der Kehle. Es war schön, ihre Haut auf seiner zu spüren, ihre Schauer liefen mühelos durch ihren langen Körper, und sie war angenehm anspruchslos, entspannt und mit ihrer Abneigung gegen jedwede Dramatik auch entspannend. Aber Sartaj sehnte sich nicht nach ihr, spürte nichts von dem quälenden Verlangen, das ihn an Megha gebunden hatte, und das machte die Momente, wenn er keuchend in Kambles geblümten Laken lag, unerträglich. Er kam sich in seinem eigenen Körper klein und verloren vor, weit unter die Haut gesunken und dem Ertrinken nahe. Schließlich mußte er aufhören, mußte die Sache beenden. Sie war verletzt, verbarg es aber hinter dem Achselzucken der Journalistin: Marad saala aisaich hota hai - so seid ihr Mistkerle nun mal.
    Ja, Männer waren so. Vor ihr hatte es andere Frauen gegeben. Ein Callgirl, Kambles Geschenk zu seinem ersten Geburtstag nach der Scheidung, »erstklassiges Material, Boß, absolut starmäßig«. Sartaj hatte nicht gekonnt, und das erstklassige Material hatte ihm tröstend die Schulter getätschelt. Dann war da eine verheiratete Freundin von Megha gewesen, die ihn erst angerufen hatte, als die Scheidung durch war, damit auch alles ehrlich und moralisch einwandfrei zuging. Nach dem Sex ließ sie sich gern von Mord, Schießereien in dunklen Straßen und verzweifelten, gewalttätigen Männern erzählen. Goldbraun und füllig lag sie neben Sartaj, in ihren Augen ein Schimmern wie von Metallhaken, kleine Strudel der Obsession. Und es hatte sogar eine Firangi 195 gegeben, eine Österreicherin, die in einem Vorortzug Opfer eines Taschendiebstahls geworden und ins Revier gekommen war, um Anzeige zu erstatten. Ihr harter Akzent hatte ihm gefallen, das Laute, Abgehackte ihrer Redeweise, das unergründliche Blau ihrer Augen, aber sie war ihm so fremd, daß er nicht wußte, wie er sich verhalten sollte, auch nicht, als sie zwei Tage später wiederkam. Er mußte ihr gestehen, daß sie nicht weitergekommen waren und wohl auch nicht weiterkommen würden, und er hatte sich für die indische Ineffizienz geschämt. In Osterreich wäre der Dieb längst verurteilt gewesen. In sein Schweigen hinein fragte sie ihn, ob er Lust auf eine Tasse Kaffee habe. Nach drei Kaffeetagen fragte er sie, ob sie seine Wohnung sehen wolle. Dort forderte sie ihn auf, seinen Turban abzunehmen. »Ich möchte dich mit offenem Haar sehen«, sagte sie.
    »Du verfluchter Rajesh Khanna 517 , König aller Sardar-Hengste«, gluckste PSI Kamble, als er ihm davon erzählte, und drückte Sartaj die Hand. Sartaj hatte in Kambles überschäumender Begeisterung viel von seinem eigenen berauschenden Triumph wiedergefunden, von dem Sturm, der sich beim Anblick der pornografisch bleichen Brüste der Österreicherin, der hellblonden Haare unter ihrem weißen Slip in ihm erhoben hatte. Als er sich in ihr bewegte, war er sich vorgekommen wie ein Pornostar, und die überirdisch makellosen Hochglanz-Phantome seiner Jugend waren wieder zum Leben erwacht und hatten ihm von fern zugenickt. Danach hatte sie geschwiegen, und er hatte ihr Schweigen nicht zu deuten gewußt. Und der König aller Hengste hatte mit offenem Mund dagelegen, voller Angst vor dem weißen Vakuum der Enttäuschung, das er in seinem Innern entdeckte.
    Sartaj schüttelte den Kopf und stand auf. Kaushalyas Mann ließ sich gern fotografieren; auf jedem Bild saß er, von Frau und Kindern umgeben, in der Mitte. Sartaj trat näher an die Wand, mit dem Rücken zu Katekar, und inspizierte die Fotos. Das also war der Vater der beiden Strolche. Ob er Geliebte hatte? Beim Anblick des

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